vielleicht war es ein kränklicher, älterer Herr oder ein Witwer mit Kindern.
Am Abend vor der Abreise war Ellen allein zu Hause, und es kam ein Bekannter von Lisa — Doktor Laurenz. Sie hatte ihn während dieser Wochen oft gesehen, denn er wußte von ihrer Lage und nahm französische Stunden bei ihr. Als sie mit ihren Büchern auf dem Balkon saßen, erzählte Ellen ihm, daß sie jetzt Aussicht auf eine Stellung habe und morgen nach Köln fahren werde.
Doktor Laurenz war ein hochgewachsener Mann mit raschen, jugendlichen Bewegungen und klugen, blauen Augen, die etwas Forschendes im Blick hatten, und Ellen fühlte etwas wie Respekt vor ihm, weil er so überlegen lächeln konnte.
„Ich finde das ziemlich bedenklich für Sie,“ meinte er, „so aufs Geratewohl hinzufahren.“
„Aber das ist ja gerade schön — ich habe keine Ahnung, was für Leute das sein mögen und wozu sie mich engagieren wollen — am Ende werde ich noch Kindermädchen.“
„Und was sagt Herr Allersen dazu?“
„Den habe ich gar nicht gefragt, nur geschrieben, daß ich nach Köln fahre.“
Ihr kam das Verhältnis überhaupt etwas merkwürdig vor, es schien sie immer zu bedrücken, wenn sie davon sprach. Es wurde dunkel, und das Mädchen kam mit der Lampe — Doktor Laurenz nahm den Klemmer herunter und sah Ellen an.
„Ich glaube, Sie lassen sich überhaupt nicht gern dreinreden — aber wollen Sie mich nicht ein wenig als älteren Bruder betrachten, der hier und da raten darf? — Nehmen Sie wenigstens einen Revolver mit auf die Reise.“
Ellen versprach es und lachte über seine Bedenklichkeit.
Am nächsten Morgen kam er an die Bahn und brachte ihr Rosen.
„Haben Sie den Revolver?“
„Ja.“
Lisa fand es auch etwas übertrieben. Sie gingen
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0600.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)