zu sein, denn dort kümmerte sich niemand darum, was ich tat. Ich habe wirklich einmal nur so hinausgeschrien vor Lebensfreude nach all den bedrückten Jahren. — Nachher besuchte ich dann noch verschiedene Verwandte weiter nach Norden — daß Allersen überall mit war, haben Sie wohl durch Detlev gehört. — Es war wie in einem Lustspiel, dies fortwährende Trennen und Wiederfinden. Und denken Sie nur, wenn an diesen entlegenen Orten ein Fremder mit schwarzem Bart und unheimlichem Aussehen auftaucht, von dem niemand weiß, wer er ist und was er da will, und wie wir uns dann immer heimlich trafen, meist in aller Morgenfrühe in irgendeinem obskuren Hotel. — Zuletzt unterschlug ich mit vieler List noch ein paar Tage, wir fuhren im Dampfschiff die Küste entlang und blieben, wo es uns gerade gefiel in den Fischerdörfern.
Dann kam ich hierher nach Kronsee, alles war gut gegangen — und drei Tage später telegraphiert Papa an meinen Onkel, er möchte sofort zu ihm kommen und der Krach war da. Ich hatte zu Hause in einem Lexikon den letzten Brief von Allersen liegen lassen und meine Mutter ihn zufällig gefunden. Daraufhin brachen sie meinen Schreibtisch auf — Sie können sich ungefähr einen Begriff davon machen, was alles zu Tage kam — mein ganzer Briefwechsel mit Friedl Merold — mit Allersen, Detlev, den Ibsenklubleuten und noch allerhand kleine Torheiten vom letzten Winter — der arme Allersen war ja nur ein verschwindender Faktor in dem ganzen Sündenpfuhl. Als mein Onkel zurückkam — mit mir selbst wollten meine Eltern nicht mehr unterhandeln — all diese Unterredungen, Ausfragen — ich habe getobt, Lisa, bis ich endlich so klug geworden bin, alles schweigend über mich ergehen zu lassen. Denn mir sind einfach die Hände gebunden — man läßt mich nicht aus den Augen, gibt mir kein Geld in die Hand, fängt jeden Brief auf. Außerdem behaupten sie, solange ich nicht mündig bin, könnten sie mich jederzeit zwingen zurückzukommen. Das muß ich erst alles ganz genau wissen. Ich will Ihnen keine
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0591.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)