Dann war Allersen fort — auf Ellens Sommerfahrt wollten sie sich wiedertreffen.
Am letzten Tage, als ihre Koffer schon gepackt standen, begegnete sie dem Versucher, den sie jetzt auch wieder öfters sah. Es war allmählich eine Art frivoler Kameradschaft zwischen ihnen geworden, sie gingen zusammen ins Café, lachten, spielten eine Zeitlang mit dem Feuer und trennten sich dann wieder. Ellen ließ sich auch heute wieder mitziehen in das Bahnhofsrestaurant, wo nachmittags die bekanntesten Lebemänner der Stadt saßen und durch die Glasscheiben des runden Erkers die Vorübergehenden kritisierten.
„Das ist nun das letztemal,“ sagte Ellen.
„Schade, schade, und wie steht's mit der Moral?“
„Immer das gleiche.“
Er kam eben vom Reiten, war in hohen Stiefeln und ließ die Reitpeitsche auf dem Tisch tanzen.
„Nein, es ist wirklich schade um den schönen Leichtsinn, denn den haben Sie doch in sich. Und dann mit dem Trottel da verlobt sein —. Soll ich Ihnen einmal weissagen — darauf verstehe ich mich einigermaßen?“
„Ja, bitte.“
„Also Sie — Ellen, Freiin von Olestjerne, mit Ihrer guten Erziehung und Ihrem unglaublichen Lachen, — Sie werden noch eine von den Allerschlimmsten werden, wenn Ihre Zeit erst einmal gekommen ist.“
„Das ist sehr möglich,“ meinte sie.
„Nun also, warum denn noch dieser Tugendpanzer? Glauben Sie nur nicht, daß er Ihnen gut steht, dazu sitzt er viel zu lose. — Ich möchte doch übrigens wissen, wer Sie die ersten Flötentöne gelehrt hat?“
„Sie!“
„Ach, das ist ja nicht wahr, das sagen alle Frauen. Da wäre man immer der erste. Und was haben Sie denn von mir gelernt? Sie sind ja immer noch ebenso verlobt.“
Ellen lachte — dann nahmen sie Abschied. Ellen fühlte etwas wie Reue um schöne, nichtbegangene
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0588.png&oldid=- (Version vom 27.9.2016)