„Gott, ich kann ja nicht — —“
„Ihre Augen haben längst ja gesagt, und wenn Sie schweigen, sagt Ihr Mund auch ja. — Aber, comme vous voulez — Samstag bin ich den ganzen Nachmittag zu Hause und erwarte Sie.“
Nachher saß sie an ihrem Schreibtisch vor der Arbeit — ihre Gedanken drehten sich wie im Wirbel. Sie schrieb einen raschen, abgerissenen Brief an Allersen — „Es hilft doch alles nichts — ich will nicht mehr. Du mußt mich lassen, mir meine Freiheit geben.“
Seine Antwort kam und sprach von Rechten — Verpflichtungen: „Ich verlange von Dir —.“ Als Ellen den Brief gelesen hatte, warf sie ihn in die Schieblade und ging hinunter. — Schweigend wie immer saß sie mit ihren Eltern am Tisch — die litten auch alle unter ihr. Das Familienleben war im letzten Jahr immer trostloser und verbitterter geworden — nur noch ein schweigender Kampf aufs Messer. Nachher suchte Ellen einen Vorwand, um auszugehen, und dann geradenwegs zu ihm, der sie erwarten wollte. Sie wußte jetzt seinen Namen und seine Wohnung.
Da stand sie auf dem hellgetünchten Vorplatz und sah auf das weiße Porzellanschild.
Aber er war nicht da — verreist — Freitag käme er wieder.
Langsam ging sie die Straße hinunter — es losch etwas in ihr aus — der große Augenblick war vorbei — verfehlt.
Statt dessen kam Ernst Allersen selbst am nächsten Tag, es hatte ihm keine Ruhe gelassen. — Er wohnte im Hotel, um seiner Familie und allen Bekannten auszuweichen.
Ellen stand erst kalt und feindselig in der Tür, aber er stürzte auf sie zu, riß sie an sich mit so viel Angst und Liebe, daß sie ganz erschüttert war, machte ihr keine Vorwürfe: sie sollte nur sein bleiben, nicht mit ihm spielen. Und sie wurde weich gestimmt, wie immer, wenn sie Liebe fühlte — es kam etwas von dem alten Gefühl für ihn wieder. Sie sagte zu allem
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0585.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)