„Warum sind wir uns doch so fern bei aller Liebe,“ kam es plötzlich über Ellen, „so ganz anders sollten wir zusammengehören, und wenn auch mein Leben zerbräche, was liegt daran. Sich einmal ganz gehören, und dann sterben und vergehen.“
Es ging ein Zittern durch ihre Seele und durch ihren Körper, und sie glaubte es auch in ihm zu fühlen. Vielleicht ahnte er, was sie dachte, denn er sagte plötzlich: „Ellen, laß uns gehen,“ und beugte sich dann zu ihr nieder. Sie umarmten sich lange, lange. — Es war wohl das letztemal vor seiner Abreise.
Schweigend trennten sie sich vor ihrem Haus. Drinnen saß Detlev bei der Lampe.
„Gott sei Dank, daß du da bist, es ist gleich Mitternacht. Ihr seid doch wahnsinnig unvorsichtig.“
Ellen antwortete nichts, sie warf sich aufs Bett und weinte: „Wie soll ich es aushalten, wenn ihr fort seid.“
3. April
{„}Bis zum letzten Augenblick hoffte ich noch, Dich am Bahnhof zu sehen, aber Papa schickte mich auf halbem Weg zurück, ich wollte nicht erst bitten und ging bei dem tollen Schneegestöber langsam nach Hause, mir war bei jedem Schritt, als ob ich es nicht mehr ertragen konnte, ich hatte nur den einen wilden Wunsch, hinzustürzen und Dich noch einmal zu sehen. Dann war ich in Detlevs Zimmer, und da fühlte ich erst ganz, was ich verloren habe, wie ich auf Schritt und Tritt nach ihm rufen werde. — Die Hälfte von mir selbst ist fort, er war ja immer neben mir. Hüte ihn mir gut, Friedl, es ist mein Bestes, was Du mitnimmst. Ich kann mir selbst unsre Liebe ohne ihn nicht denken.
Aber Du sollst kein Wort der Klage von mir hören — all die gewesenen glücklichen Stunden kann uns niemand mehr nehmen. Und jetzt bleibt uns die Arbeit an uns selbst und für das spätere Leben. Wenn auch jeder seine Schule alleine durchmachen
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0577.png&oldid=- (Version vom 27.9.2016)