von vorne an und so durch alle Tiefen und Höhen des Lebens durch, bis es aus ist. Weißt Du, was man so inneren Halt nennt, ich glaube, das fehlt mir gänzlich. Das mußt Du mir geben, Du hast so viel davon — und in Deiner Liebe werde ich es finden.“
Allenberg, 15. August
„Nun bin ich schon wieder anderswo, Du siehst, ich suche noch die sämtlichen Güter heim, ehe ich mich ins Seminar begrabe. — Hier bin ich alle Tage schon bei Sonnenaufgang an der See und bade ganz alleine. Es ist wundervoll, so allein in das kühle, goldene Wasser hineinzuschwimmen, während der ganze Himmel rot ist.
Sonst beschäftigen wir uns damit, ein paar störrische Esel zuzureiten ohne Sattel und Zügel, und abends wird fast immer getanzt. Es ist hier überhaupt ein ideales, verwöhntes Landleben — so ganz leicht wird es mir doch nicht, von alledem Abschied zu nehmen.
Aber ich denke daran, daß wir uns dann wiedersehen — endlich, nach all den Monaten. — Und Ostern schon geht ihr beiden von der Schule — und ich bleibe ganz allein. Deshalb habe ich jetzt auch Eile, zurückzukommen, damit wir wenigstens dies halbe Jahr voll genießen können. Und es soll so schön werden.“
L …
„Deinen Brief, daß Du für die Ferien verreistest, bekam ich erst heute morgen und fuhr mit sehr gemischten Gefühlen hierher. Detlev ist ja auch noch nicht da, und ich mit den Eltern allein.
Vorhin habe ich meine Malsachen eingepackt — mir war dabei, als ob ich jemand Geliebten in den Sarg legte, aber ich glaube an eine Auferstehung. — Dann den Schreibtisch ans Fenster gerückt, damit ich Dich immer sehen kann, wenn Du zu Detlev kommst. — Als ich gerade dabei war, kam meine Mutter und sprach mit mir über das Seminar. Ich sollte nur
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0572.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)