Er ging immer rascher, und Marianne fühlte seine Verstimmung aus jedem Schritt.
„Ich weiß nicht, was sie will und was sie braucht, ich kann dies Kind nicht begreifen. Wie ist sie denn wiedergekommen — strahlend, daß sie nicht mehr so viel zu lernen braucht und ihre dummen Jungenstreiche mit Detlev fortsetzen kann. Keine Ahnung, daß sie sich schämt, kein Wort, daß es ihr auch nur leid tut, uns das alles angerichtet zu haben. Sie ist doch damals nur fortgekommen, weil ich sah, daß es mit ihr und Mama nicht gehen wollte — um ihr zu helfen. Aber sie hält alles, was man für sie tut, für Feindseligkeit und Bosheit und widerstrebt blind und unvernünftig. — Sag du ihr das, sprich einmal mit ihr. Wenn sie dann von selbst kommt, soll es gut sein.“
Aber Ellen kam nicht. „Es nützt ja doch nichts,“ war die Antwort auf alle Vorstellungen der älteren Schwester. — So wurde es ein melancholischer Geburtstag. Als die andern nach Tisch vor der Gartentür saßen, lief Ellen auf die Koppel hinaus. Was sollte sie da droben? sie fühlte sich überflüssig, im Wege, ausgeschlossen. So warf sie sich ins Gras und weinte — ja, die Heimat, die hatte sie nun wieder, aber sonst war alles wie früher, täglicher Kampf und tägliche Quälerei, nur noch rettungsloser und verfahrener durch die unglückselige Pensionsgeschichte.
Später kam Marianne mit Detlev, sie fand, daß doch etwas Festliches für Ellen geschehen müßte und wollte mit den beiden ihren Lieblingsweg nach Olrup gehen — es war ein kleines Dorf draußen am Meer.
Ellen bewunderte ihre Schwester sehr — die hatte ihre ganze Jugend zu Hause verlebt und war nie unzufrieden, immer gleichmäßig in ihrer stillen Heiterkeit. Sie kamen darauf zu sprechen, auf die Eltern und alles.
„Du mußt dir doch auch ziemlich viel gefallen lassen und darfst alles mögliche nicht,“ meinte Ellen.
„Aber es liegt mir auch meistens nicht so viel daran. Wenn Papa mir zum Beispiel verbietet,
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0550.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)