Marianne verbot es, und nun hatte das Zeichnen allen Reiz verloren.
Abends lag Ellen lange wach im Bett, drüben am Tisch saß das Kindermädchen und nähte.
„Du, Lise, wer ist eigentlich der Teufel?“
„Warum willst du das wissen?“
„Weil Hedwig gesagt hat, es wäre nicht recht, wenn wir ihn immer zeichneten.“
Lise versuchte ihr zu erklären: Ein böser Geist, von dem alles Schlimme herkam und der große Macht besaß.
Das Kind setzte sich im Bett auf und horchte gespannt. Zuletzt erzählte Lise ihr die Geschichte von einem Mann, der sich dem Teufel verschrieben hatte mit Leib und Seele. Dafür bekam er alles, was er wollte, aber zuletzt, als er sterben sollte, erschien der Böse, um ihn zu holen, und er mußte mit in die Hölle.
„So, aber jetzt sollst du schlafen, Ellen.“
Kais Krankheit dauerte sehr lange, und selbst die Kleinen fühlten die trübe, lastende Stimmung, die über dem ganzen Hause lag. Sie suchten sich alles mögliche auszudenken, was ihm Freude machte, denn sie hatten ihn alle sehr lieb.
Kai wollte Naturforscher werden, sein ganzes Zimmer war voll von Steinen, Schmetterlingen, ausgestopften Vögeln, und hinten im Garten stand ein verdorrter Baum, wo er tote Tiere für seine Skelettsammlung aufhängte. Was die Geschwister jetzt an verendeten Katzen, ertränkten jungen Hunden und anderem Getier fanden, kam an den Baum, und sie freuten sich heimlich auf die Überraschung, wenn er wieder aufstand.
Aber Kai stand nicht wieder auf — — die Großen wußten es schon lange, daß er sterben mußte. Mama war blaß, sie hatte tiefe Ringe um die Augen und schalt nicht mehr so viel, und der Vater sprach kaum ein Wort.
Eines Vormittags spielten die beiden Jüngsten im Garten. Seit dem Frühstück hatten sie niemand von
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0511.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)