Zum Inhalt springen

Seite:Ravensburg Verkehrsleben 21.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die württembergischen elektrischen Staatstelegraphen wurden am 16. April 1851 dem öffentlichen Verkehr übergeben, und Mitte Dezember desselben Jahres auch eine Telegraphenstation zu Ravensburg. Die Hauptaufgabe dieser Telegraphen bestand übrigens noch darin, den Zwecken des Bahnbetriebes zu dienen. Allerdings, solange das kleine Stückchen Eisenbahn von Friedrichshafen nach Ravensburg, auf dem gleichzeitig nie mehr als ein einziger Bahnzug sich bewegte, noch keine Fortsetzung hatte, konnte dessen Betrieb der Fernsignale entbehren. Als jedoch die ganze Strecke von Heilbronn bis an den Bodensee ohne Unterbrechung befahren wurde, ging man daran, die Bahnstationen nacheinander durch elektrische Telegraphen (und zwar des noch heute gebräuchlichen Systems Morse) zu verbinden. Auf dem Weg über Ulm konnten auch mit Bayern und andern Ländern, soweit man schon Telegraphenanschluß dahin hatte, Drahtnachrichten ausgetauscht werden.

Die Gebühren für Telegramme, wenigstens für die innerhalb Württembergs verbleibenden, waren verhältnismäßig billig, wenn man berücksichtigt, daß es sich um den allerersten Anfang des Unternehmens handelte. Von Ravensburg aus kosteten 20 Worte nach Friedrichshafen 30 Kreuzer, nach Ulm 48 Kreuzer, nach Stuttgart 1 Gulden 6 Kreuzer und nach Heilbronn 1 Gulden 18 Kreuzer. Trotzdem war der private Telegrammverkehr anfänglich auffallend gering: in dem ersten halben Monat des Betriebs der Station Ravensburg wurden daselbst im ganzen nicht mehr als zwei Stück Privattelegramme abgesandt. Überhaupt waren es anfänglich lange Zeit hindurch nur die großen Geschäftshäuser und Spekulanten, denen der Telegraph als gewöhnliches Verkehrsmittel diente, während er bei der Masse der Bevölkerung für die Regel nur als der Bringer unvermuteter Unglücksbotschaften galt, und es war früher etwas ganz Gewöhnliches, daß das bloße Erscheinen eines Depeschenboten, noch ehe man überhaupt wußte, was er brachte, in einem Hause schon blassen Schrecken oder gar weibliche Ohnmachten hervorrief.


XIV. [Aufschwung im Eisenbahnzeitalter; Ausblick]

Die Posten haben ihren Betrieb den durch die Eisenbahn geschaffenen neuen Verhältnissen gemäß von Grund aus umgestaltet; weiter haben sie neben ihrem Beförderungsgeschäft auch bankmäßige Geschäfte zu betreiben unternommen.

Die Weiterentwicklung der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen, sowie die Einbürgerung des Telephons, der Fahrräder und Automobile, Straßenbahnen usw. hat in Ravensburg im ganzen den nämlichen Verlauf genommen wie anderwärts, und das gleiche ist zu sagen über die Umwälzungen, welche alle diese neuen Verkehrsmittel hervorbrachten bei der Industrie, dem Handel und der Landwirtschaft, weiter in unsern Gewohnheiten, Sitten und Lebensanschauungen, in unsern Bedürfnissen und der Art, sie zu befriedigen. Die Wirkungen, welche das fortwährende Durcheinandergerütteltwerden der Menschheit für diese in Zukunft weiter haben werden, lassen sich noch gar nicht alle übersehen.

Dem von Haus aus kümmerlichen und noch dazu künstlich unterbundenen Verkehr vor 100 oder 150 Jahren entsprachen die zu seiner Bedienung bestehenden ebenso dürftigen Vorkehrungen. Wenn wir diese mit den verschiedenartigen heutigen Verkehrseinrichtungen und den von ihnen alljährlich bewältigten Verkehrsmassen vergleichen, so heißt das ungefähr