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Seite:Ravensburg Verkehrsleben 09.jpg

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aufzurichten. Diese Bestrebungen bedrohten geradezu die ganze wirtschaftliche Existenz Ravensburgs, nachdem ihnen die österreichischen Amtleute Vorschub zu leisten anfingen. Fast ein halbes Jahrtausend zogen sich die Streitigkeiten darüber hin. Indessen gelang keiner dieser Versuche jemals auf die Dauer, und man sah ein, daß es doch eine schwierige Sache war, uralt eingewurzelte und eingelebte Markt- und Verkehrsbeziehungen durch bloße amtliche Dekrete in andre Richtung zu verweisen. Der Altdorfer Markt ließ sich aller angewandten Mühe ungeachtet nicht in die Höhe bringen, obwohl man selbst zu Verboten, den Ravensburger Markt zu besuchen, und zu Gewalttätigkeiten schritt (1621 bis 1623 und 1653). Staatsrechtlich betrachtet war allerdings in dieser Marktstreitsache der Standpunkt Ravensburgs nicht unangreifbar. Es stützte sich nämlich darauf, daß in Übereinstimmung mit dem altdeutschen Rechte (Sachsenspiegel III, 66) der Kaiser Friedrich III. im Jahre 1464 dieser Stadt das Privileg verliehen hatte, es solle eine Meile im Umkreis um dieselbe nirgends sonst ein Markt abgehalten werden dürfen. Aber es galt später, oder genau genommen damals schon, die Errichtung neuer Wochen- und Jahrmärkte als eine jedem größern Landesherrn zustehende Befugnis, die sich weder durch ältere, noch durch neuere kaiserliche Privilegien beschränken ließ.[1]


VI. [Postwesen]

Bei dem geschilderten Tiefstand von Industrie und Handel in der Stadt ist nicht zu erwarten, daß zu jenen Zeiten der auswärtige Verkehr hier eine besondre Lebhaftigkeit hätte annehmen können. Die Verkehrsbeziehungen des Landmannes reichten überhaupt gewöhnlich nicht über die nächsten Marktstädte hinaus; sehr viel weiter gingen die des Handwerkers in der Stadt auch nicht, und der eine wie der andre pflegte seine auswärtigen Angelegenheiten nicht brieflich, sondern lieber persönlich bei Gelegenheit des Marktbesuches zu erledigen.

Im Mittelalter gab es keine Beförderungsanstalten für den allgemeinen Verkehr. Wenn ein Privatmann – was aber etwas ganz Ungewöhnliches war – in die Ferne etwas abmachen sollte, dann hatte er die Wahl, entweder sich selber auf den Weg zu begeben, oder eine andere Person als Boten und Bevollmächtigten eigens abzusenden, oder aber die Gelegenheit zu einer Gefälligkeitsbeförderung auszuwarten, welch letzteres zwar ein viel billigeres, aber meistens um so unzuverlässigeres Beförderungsmittel war. Auf Messen ziehende Händler, Wallfahrer, wandernde Klosterbrüder, herrschaftliche oder städtische Läufer, fahrende Spielleute und andres nomadisierendes Volk: das waren die Leute, die solche Nebenaufträge zu übernehmen pflegten.


  1. [S. 9, Anm. 1:] Nach einem uralten städtischen Statut durfte auf dem Ravensburger Wochenmarkt bei Strafe von sechs Schilling Pfennig kein Auswärtiger, bevor zu Neune geläutet war, Hühner, Eier, Käse und Schmalz einkaufen, welches Verbot einmal den Zweck hatte, den Einheimischen die Gelegenheit zu verschaffen, ihren Bedarf an jenen Küchenartikeln vorher zu decken; zugleich aber damit verhüten wollte, daß die gleichzeitige Nachfrage der Fremden die Preise in die Höhe treibe. Um jener Beschränkung auszuweichen, versahen sich die benachbarten landvogteiischen Angehörigen in der Weise mit solchen Eßwaren, daß sie für die durch das österreichische Gebiet nach Ravensburg zu Markt ziehenden Lebensmittel sich ein Vorkaufsrecht anmaßten. Die hiewegen ausgebrochenen Mißhelligkeiten beglich man 1603 dadurch, daß Ravensburg den landvögtischen Untertanen den freien Einkauf auf seinen Märkten einräumte, was aber erst im Jahre 1781 auf alle übrigen Fremden ausgedehnt wurde.