Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen | |
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muß er nicht das Aergste befürchten? Wenn er nun fahnden läßt auf dich! wenn man dich greift! Mir wurde es schwarz vor den Augen. Ich machte mir die bittersten Vorwürfe, verfluchte abermals das Schatzkästlein, denn dieß war Schuld, daß ich die Sache nicht sogleich vor Amt angab, wie jeder Andere, der nicht ein ganzer Esel war, gethan hätte; jetzt freilich war die Katz’ den Baum hinauf und Alles war zu spät. Noch volle zwei Tage trieb ich mich, bald da, bald dort verweilend, und mich dabei immer auf’s Neue wieder an meinem Osterengel aufrichtend, im gleichen Reviere umher. Zuletzt kam mir in Sinn, daß nicht gar weit von hier, über der Gränze, ein paar weitläuftige Verwandte meiner Mutter, vermögliche Pelzhändler, wohnten, die meinem Vater viel zu danken hatten. Glückshof, so viel ich wußte, hieß der Ort; dort war doch vor der Hand Trost, Rath und Unterkunft zu hoffen. So setzte ich denn meinen Weg zum erstenmale wieder in einer entschiedenen Richtung fort, und eingedenk der Flasche des trefflichen Likörs, womit mich meine gute Base bei’m Abschied noch versah, bediente ich mich dieses Stärkungsmittels zu meinem Encouragement ein über’s andere Mal mit solchem glücklichen Erfolg, daß ich seit langer Zeit wieder ein Liedlein summte und endlich meinen vielberühmten Baß mächtig und ungebändigt walten ließ.
Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)