oder es hat sich vielmehr sehr vieldeutig ausgedrückt.
Wie soll jene „Assoziation“ aussehen, von der es spricht? Was hat insbesondere der Sozialismus an Keimzellen solcher Organisationen aufzuweisen, für den Fall, daß ihm tatsächlich die Chance in die Hand fiele, einmal die Macht an sich zu reißen und nun nach seinem Belieben zu schalten? Im Deutschen Reiche und wohl überall hat er zwei Kategorien von Organisationen. Erstens die politische Partei der Sozialdemokratie mit ihren Abgeordneten, angestellten Redakteuren, Parteibeamten und Vertrauensmännern und den lokalen und zentralen Verbänden, von denen diese gewählt oder angestellt werden. Zweitens die Gewerkschaften. Jede dieser beiden Organisationen kann nun sowohl revolutionären wie evolutionistischen Charakter annehmen. Und darnach, welchen Charakter sie haben und welcher ihnen für die Zukunft zugedacht und gewünscht wird, scheiden sich die Geister.
Gehen wir von der revolutionären Hoffnung aus, so stehen sich da zwei Ansichten gegenüber. Die erste war die des normalen Marxismus, die auf der alten Tradition des Kommunistischen Manifestes stand. Sie erwartete alles von der politischen Diktatur des Proletariates und glaubte als dessen Träger meist die unvermeidlich auf den Wahlkampf zugeschnittene politische Parteiorganisation ansehen zu müssen. Die Partei oder ein auf sie gestützter politischer Diktator sollte die politische Gewalt an sich reißen und von daher sollte die neue Organisation der Gesellschaft erfolgen.
Die Gegner, gegen die sich diese revolutionäre Richtung wendete, waren erstens diejenigen Gewerkschaften, welche nichts als Gewerkschaften im älteren englischen Sinne waren, welche sich also gar nicht für diese Zukunftspläne interessierten, weil sie in weiter Ferne zu liegen schienen, sondern vor allem solche Arbeitsbedingungen, welche ihnen und ihren Kindern die Existenz ermöglichten: hohe Löhne, kurze Arbeitszeit, Arbeiterschutz usw. erstreiten wollten. Gegen dieses Gewerschaftlertum wendete sich jener radikale politische Marxismus auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gegen die ausschließlich parlamentarische Form der Kompromißpolitik des Sozialismus, gegen das, was man „Millerandismus“ genannt hat, seitdem Millerand in Frankreich Minister wurde. Das sei eine Politik, die dazu führe, daß sich die Führer für ihre
Max Weber: Der Sozialismus, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_26.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)