Darunter wird dann verstanden: daß an Stelle der Person des einzelnen Unternehmers die Aktiengesellschaft mit den angestellten Leitern tritt, daß Staatsbetriebe, Kommunalbetriebe, Betriebe von Zweckverbänden errichtet werden, die nicht mehr auf dem Risiko und Profit eines einzelnen oder überhaupt eines privaten Unternehmers ruhen wie früher. Das ist zutreffend, wenn schon hinzugefügt werden muß, daß hinter der Aktiengesellschaft sich sehr oft ein Finanzmagnat oder mehrere verbergen, die die Generalversammlung beherrschen: jeder Aktienbesitzer weiß, daß er kurz vor der Generalversammlung eine Zuschrift seiner Bank bekommt, worin sie ihn bittet, ihr das Stimmrecht dieser Aktie zu übertragen, wenn er nicht selbst kommen und abstimmen will, was für ihn gegenüber einem Kapital von Millionen von Kronen ja gar keinen Zweck hat. Vor allem aber bedeutet diese Art der Sozialisierung einerseits eine Vermehrung des Beamtentums, der spezialistisch kaufmännisch oder technisch vorgebildeten Angestellten, andererseits aber eine Vermehrung des Rentnertums, der Schicht also, die nur Dividenden und Zinsen bezieht, nicht, wie der Unternehmer, geistige Arbeit dafür leistet, die aber mit all ihren Einkommensinteressen an der kapitalistischen Ordnung engagiert ist. In den öffentlichen und Zweckverbandsbetrieben aber herrscht erst recht und ganz ausschließlich der Beamte, nicht der Arbeiter, der hier ja mit einem Streik schwerer etwas ausrichtet als gegen Privatunternehmer. Die Diktatur des Beamten, nicht die des Arbeiters, ist es, die — vorläufig jedenfalls — im Vormarsch begriffen ist.
Das Zweite ist die Hoffnung, daß die Maschine, indem sie das alte Spezialistentum, den gelernten Handwerker und jene hochgelernten Arbeiter, wie sie die alten englischen Gewerkschaften, die Trade Unions, füllten, durch ungelernte Arbeiter ersetze und also jeden Beliebigen fähig mache, an jeder Maschine zu arbeiten, eine solche Einheit der Arbeiterklasse herbeiführen werde, daß die alte Spaltung in verschiedene Berufe aufhören, das Bewußtsein dieser Einheit übermächtig werden und dem Kampf gegen die Klasse der Besitzenden zugutekommen würde. Darauf ist die Antwort nicht ganz einheitlich. Es ist richtig, daß die Maschine in sehr weitgehendem Maße gerade die hochbezahlten und gelernten Arbeiter zu ersetzen trachtet, denn selbstverständlich sucht jede Industrie gerade solche Maschinen einzuführen, welche die am
Max Weber: Der Sozialismus, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_22.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)