beruht auf einem Zusammenwirken der zusammengeschlossenen Unternehmerschaft einer Branche mit staatlichen, sei es nun militärischen oder zivilen Beamten. Rohstoffbeschaffung, Kreditbeschaffung, Preise, Kundschaft können dabei weitgehend planvoll reguliert werden, es kann Beteiligung des Staates am Gewinn und an der Beschlußfassung dieser Syndikate stattfinden. Man glaubt nun: der Unternehmer werde dann von diesen Beamten beaufsichtigt und die Produktion vom Staate beherrscht. Man habe also damit schon den „wahren“, „eigentlichen“ Sozialismus oder sei auf dem Wege zu ihm. In Deutschland besteht aber gegen diese Theorie ein weitgehender Skeptizismus. Ich will es dahingestellt sein lassen, wie es während des Krieges ist. Jedermann aber, der rechnen kann, weiß, daß im Frieden nicht so weitergewirtschaftet werden könnte wie jetzt, wenn wir nicht dem Ruin entgegengehen sollen, und daß im Frieden eine solche Durchstaatlichung, d. h. eine Zwangskartellierung der Unternehmer jeder Branche und die Teilnahme des Staates an diesen Kartellen mit einem Gewinnanteil gegen Einräumung eines weitgehenden Kontrollrechtes in Wirklichkeit nicht etwa die Beherrschung der Industrie durch den Staat, sondern die Beherrschung des Staates durch die Industrie bedeuten würde. Und zwar in einer sehr unangenehmen Art. Innerhalb der Syndikate säßen die Staatvertreter mit den Fabrikherren an einem Tisch, die ihnen an Branchenkunde, kaufmännischer Schulung und Eigeninteressiertheit weit überlegen wären. Innerhalb des Parlamentes aber säßen die Arbeitervertreter und würden das Verlangen stellen, daß jene Staatsvertreter für hohe Löhne einerseits, für billige Preise andererseits sorgen müßten: die Macht, es zu tun, — würden sie sagen — hätten sie ja. Anderseits wieder: um seine Finanzen nicht zu ruinieren, wäre der Staat, der am Gewinn und Verlust eines solchen Syndikates beteiligt wäre, natürlich interessiert an hohen Preisen und niedrigen Löhnen. Und die privaten Mitglieder der Syndikate schließlich würden von ihm erwarten: daß er ihnen die Rentabilität ihrer Betriebe garantiert. In den Augen der Arbeiterschaft würde ein solcher Staat also als ein Klassenstaat im eigentlichsten Sinn des Wortes erscheinen und ich zweifle, ob das politisch wünschenswert ist; noch mehr aber zweifle ich, ob man klug täte, jetzt den Arbeitern diesen Zustand als den eigentlich „wahren“ Sozialismus hinzustellen, was ja gewiß verführerisch
Max Weber: Der Sozialismus, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_15.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)