vielfach beurteilt wird und — zieht ihrerseits die Konsequenzen. Aus dieser Kaste sind die entscheidenden Staatsmänner hervorgegangen. Dieser Krieg wird für Amerika die Konsequenz haben, daß es als ein Staat mit einer großen Armee, einem Offizierskorps und einer Bureaukratie daraus hervorgeht. Ich habe schon damals amerikanische Offiziere gesprochen, die sehr wenig mit den Zumutungen einverstanden waren, die die amerikanische Demokratie an sie stellt. Es passierte z. B. einmal, daß ich in der Familie einer Tochter eines Kollegen war und daß eben das Dienstmädchen weg war — sie hatten ja drüben bei den Dienstmädchen eine zweistündige Kündigungsfrist. Es kamen gerade die beiden Söhne, die Marinekadetten waren, und die Mutter sagte: „Ihr müßt jetzt hinausgehen, Schnee fegen, sonst kostet mich das täglich 100 Dollar Strafe.“ Die Söhne – sie waren gerade mit deutschen Seeoffizieren zusammen gewesen — meinten: das schicke sich nicht für sie — worauf die Mutter sagte: „Wenn ihr es nicht tut, so muß ich es tun.“
Dieser Krieg wird für Amerika die Entwicklung einer Bureaukratie und damit Avancementschancen für die Universitätskreise zur Folge haben – das steckt selbstverständlich auch dahinter — kurz, er wird eine Europäisierung Amerikas in mindestens dem gleichen Tempo zur Folge haben, wie man von einer Amerikanisierung Europas gesprochen hat. Die moderne Demokratie wird überall, wo sie Großstaatdemokratie ist, eine bureaukratisierte Demokratie. Und es muß so sein; denn sie ersetzt die vornehmen adeligen oder anderen Ehrenbeamten durch ein bezahltes Beamtentum. Das geht überall so, das geht auch innerhalb der Parteien so. Das ist unentrinnbar, und diese Tatsache ist die erste, mit der auch der Sozialismus zu rechnen hat: die Notwendigkeit langjähriger fachlicher Schulung, immer weitergehender fachlicher Spezialisierung und einer Leitung durch ein derart gebildetes Fachbeamtentum. Anders ist die moderne Wirtschaft nicht zu leiten.
Insbesondere aber ist diese unentrinnbare universelle Bureaukratisierung dasjenige, was sich hinter einem der am häufigsten zitierten sozialistischen Schlagworte verbirgt — dem Schlagwort von der „Trennung des Arbeiters vom Arbeitsmittel“. Was heißt das? Der Arbeiter sei — wird uns gesagt — „getrennt“ von den sachlichen Mitteln, mit denen er produziere, und auf dieser Trennung
Max Weber: Der Sozialismus, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_08.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)