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Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 066.jpg

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12.
Die Schlangenkrone.

An dem Ufer eines klaren Bächleins ritt einmal ein Königssohn, und sah, wie die kleinen Fischchen lustig im Wasser herumschwammen, und wie die Sonnenstrahlen in den kleinen Wellen sich mannichfaltig brachen, und die Farben des Regenbogens in schönem Glanze ihm entgegenwarfen, denn es war an einem warmen Sommertage.

Da sah er auf einmal, wie eine Schlange aus einem Felsen hervorkam, und sich dem Bächlein näherte: er hielt darum sein Pferd an, und betrachtete die Schlange. Sie war von wunderschöner Farbe. Goldene und silberne Schuppen wechselten auf ihrem Rücken und leuchteten weithin, wenn die Sonnenstrahlen darauf fielen. Auf ihrem Kopfe trug sie eine Krone, die übertraf an Pracht alle Schätze der Welt. Sie schien aus einem einzigen Diamanten gemacht, und glänzte so stark, daß er sich fast die Augen zuhalten mußte. Die Schlange aber legte die Krone auf einen großen Stein, der am Wege lag, und ging dann in das kühle Wasser, um sich darin zu baden.

Als dies der Königssohn bemerkte, ritt er schnell an die Stelle hin, stieg vom Pferde ab, nahm eiligst die Krone, schwang sich dann wieder auf sein Pferd, und galoppirte davon. „Das ist eine Kostbarkeit,“ sagte er, „wie mein Vater keine in seiner Schatzkammer hat. Aber was für ein dummes Thier ist doch die Schlange! Ich habe immer von der Klugheit der Schlangen sprechen hören, und doch legt die Schlangenköniginn, – denn das muß sie wohl seyn, – ihre Krone an den Weg, wo sie jeder nehmen kann, wer Lust dazu hat.“

So sprach er für sich, und betrachtete bald das köstliche Kleinod, bald machte er sich über die Schlange lustig, und