anweht. Du hingegen kannst dich weitläuftig über Callistratus auslassen, und über die glänzende Reihe der Musterredner, Alcidamas, Isocrates, Isäus, Eubulides. Und während in einer Stadt wie Athen tausend lockende Vergnügungen selbst solche Jünglinge in ihre Netze ziehen, die noch unter dem Zwange der väterlichen Gewalt stehen, während das jugendliche Alter so sehr geneigt ist, auf die Bahn der Wollust sich zu verirren, behauptete bei Demosthenes, dem die Nachlässigkeit seiner Vormunder Nichts in den Weg gelegt haben würde, wenn er seinen Gelüsten freien Lauf gelassen hätte, gleichwohl das Streben nach Weisheit und politischer Tüchtigkeit die Oberhand, und führte ihn statt in die Arme einer Phryne, in die Hörsäle des Aristoteles, Theophrast, Xenokrates und Plato.
14. Und hier, mein Bester, könntest du deiner Darstellung eine philosophische Betrachtung einflechten über den zweifachen Liebeszug im menschlichen Herzen, und darthun, wie der eine, als Wirkung des aus dem Ocean stammenden Amor, die Stürme wilden Wahnsinns aufjagt im Gemüth, der gemeinen Venus Wallung in Jünglingen voll brausender Leidenschaft aufregt, und ganz und gar dem Ocean angehört; der andere aber, als der Zug irgend einer himmlischen goldenen Kette, statt mit Pfeilen und Feuerbränden unheilbar zu verwunden, zu der unverwelklichen und reinen Uridee des Schönen emporzieht, und einen gewissen nüchternen Wahnsinn in den Seelen anregt, welche „dem Zeus nahe sind, und den Göttern stammverwandt,“ wie der Tragiker sagt.
15. Diese Liebe ist’s, die sich auch die schwierigsten Wege bahnt. Jenes Abscheren der Haare, jene Höhle, der
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1760. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1760.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)