so wäre „alles dieß nach Gebühr in Worte zu fassen, Eines Mannes Sache nicht,“ spricht Demosthenes. So reichlich aber dieser Stoff mir zuströmte, so würde ich doch nicht dafür angesehen werden, als setzte ich den Zweck der Lobrede selbst hintan, indem es ja stehender Gebrauch dieser Lobredner ist, ihre Helden durch den Ruhm ihrer Vaterstädte zu verherrlichen. Isocrates hat uns in seiner Lobschrift auf die Helena noch den Theseus mit in den Kauf gegeben. Nun vollends wir Dichter – sind wir nicht ein freies Volk? Du vielleicht müßtest freilich befürchten, bei einem solchen Mangel an Proportion den Spott des Sprüchworts dir zuzuziehen, du habest die Ueberschrift größer gemacht als den Pack.
12. Ich hingegen, wenn ich mit Athen fertig wäre, ginge auf den Vater des Demosthenes über, einen gewesenen Trierarchen. Wahrlich ein goldenes Fundament, um mit Pindar zu sprechen. Denn es gab in Athen keine angesehenere Rangclasse, als die der Trierarchen. Wenn aber gleich dieser Mann schon starb, als Demosthenes noch ein kleiner Knabe war, so muß man diesen seinen Waisenstand darum doch für kein Uebel halten, sondern vielmehr auch daraus Stoff zu seinem Ruhm hernehmen, weil sich seine edle Naturanlage dadurch nur um so schöner offenbarte.
13. Von Homer’s Jugend, Erziehung und Bildungsgang hingegen hat uns die Geschichte keine Nachricht aufbewahrt: sein Lobredner also muß sich sogleich an seine Werke halten, ohne daß ihm in der Geschichte seines Mannes ein weiterer Stoff zu Statten käme. Nicht einmal zu jenem Lorbeerzweig Hesiod’s kann er seine Zuflucht nehmen, der auch einfältige Hirten ohne ihr Zuthun mit dem Dichtergeist
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1759. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1759.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)