57. Die Fremden opfern übrigens nicht in dem Heiligthum selbst, sondern führen das Thier blos vor den Altar, verrichten die Libation, und führen es lebendig wieder nach Hause, wo sie es schlachten und ihre Gebete verrichten.
58. Eine andere Art zu opfern ist diese. Man stürzt die bekränzten Opferthiere über die Terrasse des Vorhofes hinab, so daß der Fall sie tödtet. Einige stürzen sogar ihre Kinder von hier hinab, aber nicht wie die Opferthiere, sondern indem sie dieselben in einen Schlauch stecken, und diesen eigenhändig hinabstoßen, wobei sie Schmähworte ausstoßen und sagen, es seyen keine Kinder, sondern Kälber.
59. Es herrscht die allgemeine Sitte, sich auf die Hände oder auf den Nacken Punkte einzustechen. Und daher kommt es, daß alle Assyrier auf diese Weise gezeichnet sind.
60. Endlich haben sie noch einen Brauch, worin sie unter allen Griechen allein mit den Trözeniern übereinkommen. Die Trözenier nämlich haben den Jungfrauen und Jünglingen zum Gesetze gemacht, nicht eher zur Vermählung zu schreiten, als bis sie dem Hippolytus ihre Locken geopfert haben. Dasselbe geschieht auch in der heiligen Stadt. Die jungen Männer opfern die Erstlinge ihres Bartes. Den Knaben aber läßt man von Kindheit an die Locken als etwas Heiliges wachsen. Hernach aber gehen sie in den Tempel, schneiden dieselben ab, legen sie in eine silberne, Viele auch in eine goldene Capsel, die sie, mit ihrem Namen versehen, im Tempel aufhängen. Dieses habe auch ich in meiner Jugend gethan, und noch befindet sich im Tempel meine Haarlocke und mein Name.
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1751.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)