können: seine Hand ist nach der von ferne auf ihn zukommenden Verläumdung ausgestreckt. Neben ihm stehen zwei weibliche Gestalten, die ich für die Unwissenheit und das Mißtrauen halte. Von der linken Seite her nähert sich ihm die Verläumdung in Gestalt eines ungemein reizenden, aber erhitzten und aufgeregten Mädchens, deren Züge und Geberden Wuth und Zorn verrathen: in der linken hält sie eine brennende Fackel; mit der rechten schleppt sie einen jungen Mann bei den Haaren herbei, der die Hände gen Himmel emporhält und die Götter zu Zeugen anruft. Vor ihr her geht ein bleicher, häßlicher Mann mit scharfem Blicke, der ganz aussieht, als ob ihn eine lange Krankheit abgezehrt hätte, und den wohl Jeder für den Neid erkennen wird. Hinter her gehen zwei weibliche Gestalten, welche der Verläumdung zuzusprechen, und sie herauszuputzen und zu schmücken scheinen: diese sind, wie mir der Ausleger des Gemäldes sagte, die Arglist und die Täuschung. Ganz hinten folgt eine trauernde Gestalt in schwarzem zerrissenem Gewande, die Reue nämlich, die sich weinend rückwärts wendet, und verschämte Blicke auf die herannahende Wahrheit wirft. So hat Apelles seine eigene mißliche Erfahrung auf dem Gemälde dargestellt.
6. Machen wir den Versuch, mit einem ähnlichen kunstmäßigen Verfahren, wie der Ephesische Maler, die Verläumdung nach allen ihr zukommenden Merkmalen zu schildern, indem wir zuerst, um das Bild um so anschaulicher zu machen, die Begriffsbestimmung derselben, gleichsam den Umriß, voranschicken: „die Verläumdung ist also eine Art von Anklage, von welcher der Angeklagte, weil sie hinter
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1444.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)