3. Ptolemäus, der überhaupt kein Mann von starkem Geiste und unter knechtischen Schmeichlern aufgewachsen war, ließ sich durch diese gänzlich unwahrscheinliche Verläumdung dergestalt in Hitze jagen und außer aller Fassung bringen, daß er keinen der Umstände in Betracht zog, die vor allem zu berücksichtigen gewesen wären: einmal, daß der Angeber ein Kunstnebenbuhler war; sodann, daß die Person des Malers zu unbedeutend war, um einem verrätherischen Unternehmen von solcher Wichtigkeit gewachsen zu seyn; zudem, daß er so viele Wohlthaten von ihm genossen und mehr als alle seine Kunstverwandten in seiner Gunst gestanden hatte. Nicht einmal zu fragen fiel ihm ein, ob Apelles denn wirklich einmal nach Tyrus gereist sey; sondern er überließ sich seinem augenblicklichen Zorne, und erfüllte seine Residenz mit Geschrei und Toben über den Undankbaren, den Verräther, den Schurken. Und hätte nicht Einer der Gefangenen, empört über die Schändlichkeit des Antiphilus und aus Mitleid mit dem unglücklichen Apelles, die Erklärung abgelegt, daß dieser Mann durchaus keinen Antheil an dem ganzen Plane hatte, so hätte er, so unschuldig er war, den Verlust von Tyrus mit seinem Kopfe bezahlen müssen.
4. Ptolemäus schämte sich nun des Vorfalls, so daß er, wie man erzählt, dem Apelles ein Geschenk von hundert Talenten machte, den Antiphilus hingegen zu dessen Leibeigenen erklärte. Allein Apelles konnte die Gefahr, in welcher er geschwebt, so wenig vergessen, daß er sich für jene Verläumdung durch folgendes Gemälde schadlos hielt.
5. Auf der rechten Seite sitzt ein Mann mit langen Ohren, denen wenig fehlt, um für Midasohren gelten zu
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1443.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)