1. Ein großes Uebel und die Quelle vielen Unheils für die Menschen ist unstreitig die Unwissenheit. Sie hüllt die Gegenstände gleichsam in Nebel, verbirgt uns die Wahrheit und verdüstert unser Leben dergestalt, daß es uns ergeht, wie Denen, die im Finstern tappen, oder vielmehr wie Blinden, die, weil sie nicht sehen, was vor ihren Füßen liegt, bald an Etwas anstoßen, bald weiter gehen, als sie sollten, bald aber auch ein beschwerliches Hinderniß als naheliegend fürchten, das weit von ihnen weg liegt. Da begehen wir denn in Allem, was wir thun, unaufhörlich Fehltritte; und eben dieß ist es, was den Tragödiendichtern schon tausendfältigen Stoff für ihre Dramen geliefert hat, wie die Geschichte der Labdaciden, der Pelopiden[1] und Anderer beweist. Man wird finden, daß fast alles Unglück, das uns auf der Schaubühne zur Erscheinung kommt, von der Unwissenheit, als einem wahren tragischen Dämon, herbeigeschafft wird. Dieß gilt ganz besonders von den unwahrhaften Angebereien
- ↑ D. i. die an tragischen Begebenheiten reichen Königshäuser von Theben und Mycene.
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1441.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)