holen es mit dem Blechlöffel aus den amtlichen Gefäßen
und führen es in ihren privaten Mund.
und es ist ganz sinnlos, was sie da tun.
Hörst du sie schlucken, Herrgott?
Siehst du sie im Hof trotten, Herrgott?
Man bewegt sie, wie die Pferde, damit sie nicht frühzeitig sterben –
und im Schubkasten des Gefängnispastors liegt eine Bibel.
Daraus liest er ihnen von Zeit zu Zeit etwas vor und glaubt wirklich,
er sei besser als sie.
Siehst du sie in ihrer Kirche sitzen, Herrgott?
Nachts bedrängen sie wüste Träume;
ihre innere Sekretion ist nicht in Ordnung,
sie sehen riesige Geschlechtsteile auf Beinen
und zupfen an sich herum …
Ja, sie haben gefehlt – das ist wahr.
Doch kann kein Mensch den andern bestrafen, er kann ihn nur quälen.
Denn Schuld und Strafe kommen niemals zusammen.
Ja, sie haben gefehlt, das ist wahr.
Weil sie gestohlen haben;
weil ihre Eltern nur einen verwüsteten Körper zeugen konnten;
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_415.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)