ein Stück bekam. Vielleicht noch ein oder zweimal sonst bekamen wir frisches Fleisch; sicher noch einmal, denn einmal war es Schweinefleisch. Das wurde dann im Kochkessel am offenen Feuer gekocht, womöglich etwas Kohl, wenn ein Garten oder Feld zu finden war, oder Reis, den wir regelmässig bekamen, eine Handvoll dazugetan. Wenn Ruhe war, so konnte ruhig gekocht werden, auch wenn es nur Kaffee war; Kaffee, das heisst einige schwachgeröstete Bohnen, die man mit Steinen oder einer leeren Flasche zerkleinerte; das gab dann ein hellbraunes, aber doch heisses Getränk. Wenn nicht Ruhe war, so konnte man natürlich auch nicht kochen. Einmal hatte ich Fleisch im Kessel, es war eben das Schweinefleisch, das Wasser kochte kaum, da wurde Alarm geblasen, wir sprangen auf, mein Kochgeschirr kippte um und das halbrohe Fleisch lag auf der Chaussee. Ich hob es auf und während ich das Gepäck umwarf und in die Reihe rannte, ass ich es auf; denn es war Gold wert, ich hätte es für zehn Thaler nicht wiederkaufen können. Wie oft habe ich mir gesagt: wenn man jetzt ekel wäre, müsste man verhungern. Darin hatten wir Einjährigen, wie sich schon auf dem Marsch zum Regiment gezeigt hatte, einen grossen Vorteil vor den Anderen: wir assen aus Ueberlegung was zu haben war, während besonders die Bauernjungen nichts herunterbrachten, was sie nicht auch zu Hause gegessen haben würden, und oft auf Unappetitlichkeiten erst aufmerksam machten, die wir nicht bemerkten oder nicht bemerken wollten.
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_41.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)