vorgekommen sind. Und wie bald sollten wir alle ähnlich aussehn, mit Ausnahme des Bartes, der mir noch nicht wachsen wollte. Nun also gab mir Jäger nach der ersten Begrüssung den Ring wieder, denn er sagte ich hätte ihn jetzt ebenso nötig; und es half nichts, dass ich mich wehrte. Er hat uns dann aber beiden durchgeholfen.
Nur kurze Zeit waren wir etwas Neues und Fremdes und uns selber das Leben fremd und neu im Regiment, aus dem uns gleich eine kriegsgewohnte Luft anwehte und uns in ein festorganisirtes Treiben hineinriss. Es war eine scharfe Existenz, ohne Aeusserlichkeiten des Dienstes ausser Befehlen und Gehorchen wo etwas zu tun war, sonst freie Bewegung, aber wenig Sprechen, stets am Platze, stets die Kräfte gespannt. Jeder hatte das Gefühl, nachdenkend oder unbewusst, dass von der Pflichterfüllung jedes Einzelnen das Ganze abhinge, dass ihm das Leben nur gewonnen wäre wenn er es einsetzte. Nie sagte einer etwas in dieser Richtung, aber wer anders handelte wurde nicht geachtet. Auch die Entbehrungen wurden jetzt grösser und die Strapazen stiegen beständig; aber man ertrug sie leichter, teils weil der Körper sich gewöhnte teils weil die Gefahr hinzukam, nahe und gross, und die moralischen Kräfte zum Widerstand aufrief, sodass diese vielleicht zum ersten mal im Leben recht und stark lebendig und wach wurden.
Am ersten Tage wurde der Compagnie ein Hammel geliefert, den ein Metzger unter den Soldaten kunstgerecht zerkleinerte, so dass jeder
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_40.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)