aber die Nacht unterhielten wir uns wie die Feuergarben, angeregt von der Situation wie wir waren, und schütteten unsre Herzen aus. Es war noch kaum Abend als wir anfingen; aber wir waren nicht müde geworden, als etwa um drei der Leutnant schickte, wir könnten nun schlafen gehn, es sei nichts mehr zu erwarten.
So begann mir das Jahr 1871.
Am 1. Januar blieben wir in Blois, kochten uns gutes Essen und tranken roten Wein, die Flasche zu 10 Sous. Am 2. rückten wir bei frühestem Morgen aus und hatten einen starken Marsch bis Montoire bei Vendôme, wo wir am Abend das Regiment im Biwak trafen. Es war ein merkwürdiges Wiedersehn, zunächst mit den Bekannten. Charles Jung begrüsste mich um einen Kopf gewachsen wie mir schien, mit Stoppelbart, in ganz verstürmtem graugewordenem Mantel. Dann das Regiment selbst, das wir nur als gedrilltes, geschniegeltes Garnisonregiment kannten: ein Haufe rauh und trotzig aussehender struppiger Krieger, die uns wie Kinder von oben her ansahen. Und wie wenige geworden! Das Regiment trat zusammen, um uns aufzunehmen, nun sahen wir wie stark die Reihen gelichtet waren. Unsere Ankunft wurde übrigens von allen gern gesehen, denn die Vielgeplagten konnten erwarten, dass wir frisches Volk nun einen Teil der Arbeit, und zwar mehr als auf unsern Durchschnitt kam, übernehmen würden.
Am ersten Morgen wurden wir in die Kompagnien aufgeteilt. Mit Lohmann blieb ich zusammen, wir
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_38.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)