und Bowlenkundigen das Geschäft zugefallen war, trug mit Lohmann zusammen immer die leer getrunkene Schüssel hin und die volle her. Wir waren sehr vergnügt, vergassen Krieg und Not, liessen Alles leben was wir liebten und dachten uns jeder fort an seine Stelle daheim. Es war ohne Zweifel ein heiliger Abend von ganz einziger Art.
Am 27. kamen wir in Orleans an. Es war schon spät, nach einem anstrengendem Marsch, und wir dachten mit Sehnsucht an die Quartiere in der grossen Stadt, die wir uns nach Wunsch und Gefallen ausmalten. Aber die Stadt war von Truppen überfüllt und, wie es öfter vorkam, für uns als einen Ersatznachschub, der keinen festen Körper bildete und so zu sagen in keinem Buche stand, war schlecht gesorgt. Die Quartierbillets wurden ausgeteilt, ich bekam meins mit Schnitzler zusammen; aber als wir müde und durstig das ersehnte Haus gefunden hatten, starrte es von einquartierten Dragonern. Es war eine Enttäuschung, bei der man sich wohl zusammennehmen musste. Inzwischen war es Nacht geworden; aber uns auf den Hausflur oder in den Stall zu legen, während es doch gewiss in der Stadt noch unbelegte Häuser gab, konnten wir uns nicht entschliessen. Wir gingen also aufs Rathaus, wo der Maire mit der Einquartierungscommission in Permanenz sass, und verlangten anderes Quartier. „Messieurs“, sagte der Maire, „je puis vous offrir la maison de Mr. Liger qui est un riche cordonnier, mais il est mort“. Wir erklärten, dass uns die Gesellschaft des verstorbenen Herrn Liger sehr angenehm sein würde, liessen uns
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_33.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)