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Seite:Leo Kriegserinnerungen 31.jpg

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selten, fand man auch Kastanien. In den Quartieren war die Frau immer am Platze und sah nach dem Rechten, der Mann selten. Man hatte durchaus den Eindruck, dass der weibliche Teil der Bevölkerung der tüchtigere sei; und dieser Eindruck verstärkte sich, je mehr wir mit der Zeit in Gegenden kamen, die vom Kriege stärker mitgenommen waren.

Am 23. kamen wir, wie gesagt, in Montargis an, einem hübschen Landstädtchen; und als wir in die Quartiere auseinandergelassen wurden, vernahmen wir das goldene Wort ‚morgen Ruhetag‘. Ja, morgen war ja heiliger Abend, den wir tief in Feindesland verleben sollten. Unser aller Gedanken waren in der Heimat, und es wird wohl für die meisten das erste mal gewesen sein, dass sie Weihnachten nicht zu Hause feierten. Aber dass auch hier gefeiert werden musste, stand fest. Wir traten zusammen, nicht mehr die Göttinger Verbindungsgenossen allein, sondern auch andre gute Bekannte, die uns inzwischen näher gekommen waren. Vor allem stellte sich heraus, dass Wietfeld einen Wachsstock und Schaumgold aus Hannover mitgebracht und treulich durchgeschleppt hatte, als alles Entbehrliche aus den Tornistern flog; einen dünnen rosa Wachsstock. Aber einen Weihnachtsbaum hatte keiner mitge­bracht, und so wurde eine marsch- und opferwillige Patrouille nach einem Tannenwäldchen am Horizonte ausgeschickt und brachte einen richtigen kleinen Weihnachtsbaum zurück. Die rosa Lichter wurden ihm aufgesetzt, Aepfel und vergoldete Nüsse ange­hängt, und so stand er auf dem Tische. Für diesen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_31.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)