nur unser Hauptmann hatte sehen wollen, ob wir auch richtig kommen würden. ‚Sie denken wohl, Sie wären bei Muttern? Bequemlichkeit spielt jetzt keine Rolle mehr‘ und solche Redewendungen begrüssten uns. Dann durften wir, da alles in Ordnung gewesen war, wieder ins Quartier zurück, wo wir weiter schlafen konnten, denn der nächste Tag war ein Ruhetag, an dem wir im besten Café der Stadt dinirten und sogar die Probe machten, ob der Champagnerwein wirklich wo er wächst am besten sei. Früh am nächsten Morgen wurde ausmarschiert. Der Hauptmann hatte übrigens ganz recht, gleich in der ersten Nacht einen solchen Versuch zu machen, denn es war eine sehr verantwortliche Aufgabe, solch ungeübte Truppe durch Feindesland zu führen, und er musste sicher sein, dass er sie in der Hand hatte.
Der 17. war also der erste Marschtag und damit der Anfang einer neuen Leidenszeit. Von meinen Füssen habe ich schon gesprochen. Schlimmer als der Schmerz in den Gelenken, der sich während des Marschirens abstumpfte, war das Schleppen von Tornister und Gewehr, die übrigens damals schwerer waren als jetzt. Nach kurzer Zeit zogen die Riemen schmerzhaft an, und dies Gefühl stumpfte sich nie ab. Das Gewehr wurde auch immer drückender. Allmählich hatte man nur den Gedanken: du musst jetzt Schritt für Schritt gleichmässig vorangehn, denn wenn du nur einen Schritt zurückbleibst, kannst du es nie wieder einbringen und bist verloren. Dabei gehen die französischen Chausseen wellenförmig,
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_27.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)