Suppe auf und gab mir zuerst, ich gab den Teller mit einem höflichen Wort der Hausfrau. Da war das Eis getaut und ihre Gesichter strahlten. Sie erzählten von der vorigen Einquartierung, es waren Husaren oder Dragoner gewesen, ils faisaient comme ça – und aus der schwachen Andeutung ergab sich, dass sie ihre Taschentücher vergessen haben mussten. Auch sonst hatten sie keine politesse, und unsre Wirte hatten vorgehabt, uns allein essen zu lassen; aber dann hatten sie gefunden dass wir les figures bonnes hatten und es mit uns versucht. Wie oft habe ich in der Folge dies Wort gehört, wenn im Quartier gelärmt wurde oder sonst ein Schrecken entstand: vous avez la figure bonne, ich sollte helfen; und meist ging es dann auch mit einem Wort, da es fast immer Missverständnisse aus Unkenntniss der Sprache waren. Denn ich muss gleich sagen, dass ich keine Böswilligkeiten von seiten unsrer Soldaten gegen friedliche Franzosen gesehen habe bis in die letzte Zeit vor dem Frieden hinein. Doch davon später.
Wie herrlich war es, sich ins Bett zu strecken! Aber wir sollten dess nicht lange froh werden. Denn mitten in der Nacht, so um 3 Uhr, wurde Alarm geschlagen. Wir erlebten das zum ersten mal, es ist ein sehr aufregender Eindruck an sich, und als wir aus dem Schlaf und schon im nächsten Augenblick in die Kleider fuhren und das Gepäck umwarfen, glaubten wir, dass uns Franctireurs überfallen hätten. Als wir aber auf den Rendezvousplatz zusammengelaufen waren, stellte sich heraus, dass
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_26.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2017)