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Seite:Leo Kriegserinnerungen 13.jpg

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sang die ganze Versammlung, und als wir ganz hingerissen ‚Deutschland Deutschland über Alles‘ gesungen hatten, da erhob sich ein alter Herr von grosser Gestalt und mächtigem Kopf und stellte sich vor als der er war, Hoffmann von Fallersleben, der Dichter des Liedes. Wenn es etwas gab was die Stimmung noch heben konnte, so war es dies, und man konnte wieder so recht sehn, wie der Mensch danach verlangt, seiner Freude und Begeisterung einen persönlichen Ausdruck zu geben. Der Dichter war uns der Held des Abends und sein Lied wurde noch unzähligemal gesungen.

Wenn wir gefürchtet hatten, der Krieg möchte uns unter den Händen entschlüpfen, so waren wir ebenso falsch beraten wie die anderen, die gehofft hatten, dies sei das Ende. Nach Sedan hielt sich Strassburg noch vier Wochen und Metz acht Wochen lang. Wir erlebten in Göttingen noch beide Kapitulationen, Strassburg am 28. September, Metz am 31. Oktober. Die drei Monate waren überschritten und noch immer verlautete nichts von Aufbruch nach Frankreich. Der Dienst wurde immer lästiger und die Stimmung gedrückt. Mein Freund Gustav Jacobsen war der einzige unter uns, der trotz Krieg und Kriegessehnsucht den korrekten Friedenssoldaten herauszubeissen suchte. Zur Strafe wurde ihm eines Abends in der Bierzeitung, die ich pflichtmässig redigirte, die schnöde Parodie eines schönen Liedes, das wir so oft begeistert gesungen hatten, in den Mund gelegt, etwa folgendergestalt:

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_13.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)