ein Fässchen Wein und meine Mutter einen Plumpudding geschickt, dazu lud ich alle meine Freunde und guten Freunde ein, es waren wohl zwanzig, wir sassen in dem Gärtchen am Wall hinter meiner Wohnung in der Unteren Masch 21, tranken sehr vergnügt Bowle so lange es reichte, liessen den Pudding verschwinden und die Geber hoch leben, telegraphirten diese Tatsachen nach Bonn und zweifelten nicht, dass Friede bleiben werde. Da stiegen auch die Papiere, von denen mein Hotelgenosse gestern seinen Kindern erzählte. Aber am 11. und 12. kam die Abweisung Benedettis und die Emser Depesche und der Krieg in leibhaftiger Gestalt.
Keiner liebt und wünscht den Krieg; selbst die, deren Handwerk er ist, wagen kaum ihn zu wünschen. Jener Krieg war der letzte, den wir erlebt haben. Ihr wisst was er uns gebracht hat, niemand der es nicht erlebt hat kann wissen was es uns bedeutete. Die Fackel dieses Krieges war uns der Aufgang einer neuen Sonne am Himmel unsrer Geschichte, mit unbeschreiblichem Glücksgefühl empfanden wir den Moment einer historischen Vollendung, es war ein Sturm, derselbe der den deutschen Süden und Norden zusammen führte und jedem von uns das Herz in die Höhe riss. Wenn wir auf der Kneipe ‚Wohlauf Kameraden‘ sangen (kein andres Lied traf wie dieses die Stimmung jener Tage), da konnten wir nicht sitzen bleiben, um dem in unsrer Seele tobenden süssen Feuer Luft zu geben. Nicht dass wir jeder hätten grosse Taten verrichten wollen. Aber da war auf einmal ein Ganzes, Volles, Gewaltiges,
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_05.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)