rettet. Die wilden Bestien und Kannibalen, mit welchen Robinson sich herumschlägt, sind hier die civilisirten Menschen, die Elemente die Menschenkniffe und gesellschaftlichen Verhältnisse, und das Schauspiel mitten im alten Festlande, in der alten Republik Bern, das gleiche wie auf jener Insel des Weltmeers, bis auf die innere Moral, durch welche Gotthelf’s Schriften zu großartigen Parteipamphleten werden.
Das Buch Hiob bestreitet in seinem prachtvollen und majestätischen Rhythmus und dialektischen Wogenschlag den althebräischen Glaubenssatz, daß Gott ausschließlich und zum Kennzeichen die Rechtschaffenen, Frommen auf Erden glücklich mache und mit Besitz und leiblichem Gedeihen ausdrücklich vor den Schlechten auszeichne, welchen es auch schlecht ergehe. Alle Gotthelf’schen Werke nehmen eben diesen Mosaischen Glaubenssatz in ihrem Kerne gegen das tapfere Buch Hiob in Schutz, mit einer kleinen Modifikation. Nach ihnen sind alle Frommen und Gerechten entweder schon mit Wohlstand und Glück gesegnet und sind zugleich gut konservativ, oder sie verdienen es zu werden, und es ist ersichtlich, daß dieß Gottes Absicht ist; aber die Schlechten, die Sünder, die Lumpenhunde, welche alle liberal, aufgeklärt, zugleich aber höchst miserabel, ärmlich, bettelhaft und unglücklich sind, hindern die konservativen Gerechten an ihrem irdischen Floriren und bringen sie fortwährend um das Ihrige. Während also die drei zänkischen und kritischen Freunde im Buch Hiob diesen grausamerweise damit trösten wollen, daß er schlechtweg an seinem Unglücke als Lump und Sünder zu erkennen sei, gibt die linnengeschürzte Muse Gotthelf’s zu, daß allerdings auch der Gerechte zuweilen unglücklich sein könne, daß aber hieran nur die Aufgeklärten
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_153.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)