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Seite:Keller Gotthelf 145.jpg

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Bauer als gute Beute erklärt und in den Schwindel hineingezogen. Zuletzt wird er Großrath und eine politische Größe, d. h. ein eitler und aufgeblasener Esel, der zu allen schlechten Zwecken benutzt wird. Zugleich wird er ein liederlicher Schlemmer, Hurer und Religionsleugner und bringt sein Haus an den Rand des Abgrunds. Die Frau liegt schon im Grabe; der eine Sohn, welchen er ebenfalls zu diesem Leben angeleitet hat, wird über einer Blasphemie vom Tode ereilt, als er schlemmend und brüllend den politischen Gelagen nachzieht, das Geld von Wittwen und Waisen in der Tasche. Hierdurch wird die Katastrophe herbeigeführt. Der niedergeschmetterte Vater weiß sich nicht zu helfen, und nun tritt der andere Bauer zu ihm, welcher fromm und konservativ geblieben ist, und richtet ihn auf, mit Rath und That in dem zerrütteten Hause hantierend.

Das Ausschlagen des gefallenen Sohnes ist nicht unmöglich, hingegen das des Vaters vollständig, insofern es die Wirkung des politischen und religiösen Zeitgeists auf einen sonst tüchtigen Bauer vorstellen soll. Wer die Bauern kennt, weiß zu gut, daß diese sich nicht so leicht aus dem Häuschen bringen lassen, und es geht gerade über die schweizerischen Bauern die Klage, daß bei ihnen der Liberalismus keinen sonderlichen Einfluß auf den Geldbeutel ausübt. Es gibt aller Orten Leute, welche, von Haus aus liederlich, das politische Behaben als Beschönigung ihrer Zerstreuungssucht benutzen; abgesehen, daß solche überhaupt nicht hierher gehören, sind sie leider bei allen Parteien zu finden, und ein konservativer betrunkener Heulmeier, der hinter dem Schnapsglase die Religion für gefährdet erklärt, ist auch keine anmuthige Erscheinung.

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)