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Seite:Keller Gotthelf 122.jpg

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vor unsern Füßen um. Da können wir erlesen und untersuchen nach Herzenslust. Gute Ackererde, Gras, Blumen und Unkraut, Kuhmist und Steine, vergrabene köstliche Goldmünzen und alte Schuhe, Scherben und Knochen, alles kommt zu Tage, stinkt und duftet in friedlicher Eintracht durcheinander. Er baut ein Berner Bauernhaus mit allen Vorrathskammern, mit Küche und Keller und den stillen Gaden der Töchter stattlich auf; aber vor allem fehlen auch Schweinestall und Abtritt nicht, und besonders in der „Käserei“ ist soviel von dem animalischen Verdauungs- und Sekretionsproceß die Rede, daß der verzärtelte Leser mehr als einmal unwillkürlich das Taschentuch an die Nase führt, insonderlich wenn er hinter der nordischen Theetasse sitzt, deren gern gesehene Zierde Jeremias Gotthelf gegenwärtig zu sein scheint.

Wahrscheinlich hat Bitzius einst Theologie und mithin auch etwas Griechisch u. dgl. studirt; von irgend einer schriftstellerischen Mäßigung und Beherrschung der Schreibart ist aber nichts zu spüren in seinen Werken. Das edle Handwerk der Büchermacherei hat verschiedene Stufen in seiner Erlernung, welche zurückgelegt werden müssen. Zuerst handelt es sich darum, daß man so einfach, klar und natürlich schreibe, daß die Legion der Esel und Nachahmer glauben, nichts Besseres zu thun zu haben, als stracks ebenfalls dergleichen hervorzubringen, um nachher mit langer Nase vor dem mißrathenen Produkte zu stehen. Alsdann heißt es hübsch fein bei der Sache zu bleiben und sich durch keine buhlerische Gelegenheit, viel weniger durch einen gewaltsamen Haarzug vom geraden Wege verlocken und zerren zu lassen. Beide Disciplinen fließen öfter ineinander, und Herr Jeremias benutzt alsdann reichlich die Gelegenheit, sie

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)