nachdem er von Arbeit und Mühe gesprochen hat, von den Freuden, welche allerdings auch ein Dienstbote haben müsse als Erholung nach der Arbeit, und er verweist sie – wieder auf die Arbeit! Darin nämlich müsse ein rechter Dienstbote seine Erholung finden, daß er sich am Gedeihen und Floriren der Angelegenheiten seines Meisters freue, und daß er sein Vergnügen an einem wohlbestellten Acker, an einem gutverpflegten schönen Stück Vieh finde. Wenn man dieß näher besieht, so heißt es nichts weiter, als man müsse eben gern und freudig arbeiten, und für die Erholung von der Arbeit, welche er versprach, ist nicht gesorgt. Ich bin überzeugt, daß Bitzius auch noch andere Erholungen braucht, als daß er etwa seine Predigt wieder liest, wenn er aus der Kirche kommt, oder daß er sich, nachdem er den ganzen Tag geschrieben hat, durch die Lektüre seiner eigenen Schriften erfrischt. Und doch hätte der Verfasser nur einige Seiten weiter einen prächtigen Ausweg gefunden. Er beschreibt dort ein gymnastisches Spiel der jungen Bauernbursche und sagt selbst, es sei eins der schönsten nationalen Spiele, welche an Sonntagen hin und wieder aufgeführt werden. Auch stammt es aus der belobten alten Zeit und hat in dieser Beziehung also seinen gültigen Stammbrief. Wenn irgendwie eine ehrbare Erholung aufzutreiben gewesen, so war es hier. Was thut aber Jeremias? Er läßt seinen Uli von dem Besuche dieses Volksfestes Schaden und Verdruß nehmen, und räth hierdurch seinen jungen Lesern ernstlich ab, dergleichen Ergötzlichkeiten mitzumachen. Es wäre die Aufgabe des Dichters gewesen, allfällige eingeschlichene Roheiten und Mißbräuche im poetischen Spiegelbild abzuschaffen und dem Volk eine gereinigte und veredelte Freude wiederzugeben, da
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)