ihren Kleon am Staatsruder. Aristophanes schrieb aber seine Komödien absichtlich und allein zu diesem Zwecke, und wenn sie gut sein sollten, so mußte er die Realität verhöhnen. Wenn Gotthelf ein satirisches Buch schreiben würde, in welchem er alle seine Parteiansichten niederlegt, so würde man nichts dawider haben; daß er aber seine Malice durch alle seine Schriften gleichmäßig zerstreut, auf der einen Seite das Pathos von Treu und Glauben hervorkehrt, und hinten herum den negativen Hohn und die parteiliche Verdrehung hervorschiebt, das ist keine Art und schadet ihm selbst am meisten.
Der einzige permanente Zorn, welcher an Gotthelf zu billigen, ist seine Antipathie gegen die Juristen. Der Kanton Bern ist nämlich seit einer Reihe von Jahren durch eine Unmasse von Advokaten, Rechtsagenten, Schreibern u. dgl. überschwemmt worden, welche, angelockt durch die neuerrichtete Universität und einen echt demagogischen Professor, von der Dorfschule weg einige Semester in Bern herumrutschten, und dann als halbgebackene Juristen und Sykophanten großen Unfug im Bernischen Volk anrichteten. Diese Erscheinung ist nun zwar eine vorübergehende, indem der radikale Große Rath, das Volk im weitesten Umfange vertretend, selbst den Anfang zur Abhülfe gemacht und kürzlich durch einen Beschluß sämmtliche Rechtsagenten aufgehoben hat. Er bewies damit, daß die wahre Volksaufklärung sich selbst von ihren Krankheiten heilen kann ohne reaktionäre Beihülfe. Indessen hat das Übel einmal seine Wirkung gethan, und Pfarrer Bitzius, welcher einen unversöhnlichen Haß auf die ganze Juristerei geworfen, mag sich, wenn er an einem Orte sich beklagt, daß die Juristen von den Geistlichen
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_111.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)