haben: er läßt sich durch die Lamentationen der Alten nicht einschüchtern, und bringt glücklich sein Korn unter Dach. Kaum ist aber das letzte Fuder in die Scheune gefahren, so kommt ein Blitzstrahl und verzehrt Haus und Habe, und der Bauer, ein trauriges Exempel des göttlichen Zorns, bleibt blödsinnig. Diese Geschichte schmeckt mehr nach dem Judenthum als nach dem Christenthum. Gotthelf führt die Worte Sünde und sündlich fortwährend im Munde; fühlt er wohl nicht, daß es ebenfalls sündlich sein dürfte, dem christlichen Gott solch krasse Erfindung unterzuschieben? Ebenso spielen der Teufel und seine Hölle eine große Rolle in Gotthelf’s Schriften. Folgende Stelle nimmt sich z. B. sehr trübselig aus im Munde eines reformirten Geistlichen:
- Es ist schrecklich, im Feuer zu erwachen; wer es erlebt hat, zittert, so oft er dessen gedenkt. Wie muß es den Sündern erst sein, wenn sie erwachen in der Hölle: Feuer ringsum und nirgend eine Thür zum Entrinnen, gefesselt auf ewig mit feurigen Ketten im ewigen Brand!
und die gleiche Erzählung, wo diese Süßigkeit vorkommt, („Harzer Hans“) schließt mit der erbaulichen Versicherung, daß der Teufel eine Seele geholt habe.
Möchte sich Gotthelf doch ein wenig an seinem berühmten und braven Vorgänger spiegeln, an Hebel, welcher ebenfalls Geistlicher war. Wie verschieden behandelt dieser sowohl als Künstler wie als Moralist den Teufel in seinem „Karfunkel“! Diese pietistische Tendenz thut den Volksbüchern großen Eintrag; auf jeder Seite wird gepoltert und gepredigt und oft im abenteuerlichsten Stil.
Aus allem diesem geht nun natürlich hervor, daß Gotthelf auch gegen Volksschule und Aufklärung eifert. Und er thut dieß bis zum Überdruß. Auf jeder Seite eifert er
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)