hier nebenbei gesagt, jene Stellen, wo er den diplomatischen Anstand eines rechten Berner Bauers beschreibt. Ein solcher, so ungehalten er auch ist, wird nie einen Knecht öffentlich anfahren und beschämen; sondern er macht nur im Vorbeigehen, ohne daß es jemand weiter hört, eine ruhige Bemerkung, wie zufällig; und wenn das nicht hilft, so nimmt er ihn nach Feierabend oder sogar erst gelegentlich ins Nebenstübchen, und sagt ihm daselbst ohne grobe zornige Worte, aber entschieden seine Meinung. Noch unerhörter wäre es, daß die Familie unter sich öffentlich zanken würde. Ebenso wenig wird ein solcher Mann in fremden Händeln seinen Rath aufdrängen wollen oder nach Verhältnissen fragen, die ihn nichts angehen. Diese edle Sitte haben freilich die Bauern vor den Diplomaten voraus.
Uli geräth immer tiefer in sein untröstliches Wesen hinein, bis das Unglück ihn aufrüttelt. Ein Hagelwetter zerschlägt seine Jahreshoffnungen, er kann seine Pacht nicht bezahlen und steht auf dem Punkte, da endlich auch der Hof verkauft werden soll, gänzlich auf die Straße gesetzt, und wieder zum ärmsten Knecht degradirt zu werden, nur mit dem Unterschied, daß er jetzt Frau und Kinder hat. Durch dieß Unglück wird er dem Einfluß seiner Frau wieder empfänglich gemacht, er bessert sich, lebt wieder auf und wird ein vernünftiger Mensch, und alles geht gut, da noch ein deus ex machina hinzukommt, der ihn zum reichen Eigenthümer des Hofs macht.
Fragen wir nun nach dem Princip, zu welchem hinauf und durch welches Gotthelf seinen Uli gerettet hat, so finden wir ein strenges, positives Christenthum. Darüber ist nicht mit ihm zu rechten. Etwas ist besser als gar nichts, und
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_107.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)