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Seite:Keller Gotthelf 103.jpg

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Uli ist ein junges blutarmes Knechtlein, welches, in der Überzeugung, daß es sein Leben lang ein solches bleiben müsse, arbeitet, so schlecht und recht es eben muß, seinen spärlichen Lohn durchbringt, spielt, trinkt und sich darein ergeben hat, dieß immer so zu machen. Sein Meister, ein reicher kluger und wohlgesinnter Bauer, welcher den Grundsatz befolgt, einen Dienstboten womöglich bessern zu wollen, ehe er ihn fortjagt, nimmt ihn in die Schule. Uli wehrt sich hartnäckig. „Was soll ich“, meint er, „meinen Lohn zur Seite legen und sparen? Aus nichts wird nichts! Was soll ich mir Mühe geben, ein einsichtsvoller und gewandter Landwirth zu werden, da ich keinen Menschen auf der Welt habe, und niemals zu einem eigenen Stück Land komme?“ Der wackere Meister gibt aber nicht so bald nach, und es gelingt ihm endlich, dem Burschen die schöne Wahrheit beizubringen, daß ein gewissenhafter und tüchtiger Bauernknecht zu sein, keinem Menschen mehr zu gute komme, als ihm selbst, und daß, wer sich Arbeitsliebe und Arbeitskenntniß erworben habe, und dadurch in seiner Art berühmt sei, schon in diesem guten Namen ein Kapital besitze, welches unschätzbar sei, und er werde, wenn er seinem Rathe folge, dieses schon noch erfahren. Und so wird denn Uli wirklich ein Knecht, welchem man alles anvertrauen darf, zu des Bauers großer Freude; und für sich selbst hat er mit seinem Lohne, welcher mit seinen Leistungen gern vergrößert wurde, eine schöne Summe beiseite gelegt, der erste Grund zu einstiger Selbständigkeit. Aber der Bauer beweist auch, daß er nicht nur auf eigenen Nutzen bedacht ist. Als ein alter Vetter zu ihm kommt, welcher ebenfalls einen großen Hof besitzt, der aber aus Mangel an Leitung und durch angehäuftes

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)