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Seite:Keller Gotthelf 099.jpg

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Pult mit Eisenbahnaktien anfüllen: – und ein Landmann sollte nicht mit einigem menschlichen Anstand seinen Beruf erfüllen können?

Wenn man gegenwärtig von Volksschriftstellern spricht, so stehen Berthold Auerbach und Jeremias Gotthelf (Pfarrer Bitzius zu Lützelflüh im Kanton Bern) obenan. Auerbach ist von der Höhe der jetzigen Bildung aus zu der Volksschrift gelangt. Er hatte einen philosophischen Roman geschrieben, ehe er an seine „Dorfgeschichten“ gerieth, und auch von diesen vermag ich nicht zu berichten, ob ihn ein bewußter Beruf, für das Volk zu schreiben, dazu trieb, oder ob es mehr ein glücklicher Wurf des Künstlers war, welchen Lust und Talent auf dieß Gebiet führten, wie etwa ein frischer Morgenwind eine heitere Wolke am Himmel dahintreibt. Sei dem wie ihm wolle, die „Dorfgeschichten“ sind, mit Ausnahme des miserabeln Reinhard in der „Frau Professorin“, alle frisch und gesund und ein festtägliches Weißbrot für das Volk. Sie sind schön gerundet und gearbeitet; der Stoff wird darin veredelt, ohne unwahr zu werden, wie in einem guten Genrebilde, etwa von Leopold Robert; und wenn sie auch ein wenig lyrisch, oder wie ich es nennen soll, gehalten sind, so thut das meines Erachtens der Sache keinen Eintrag. Nicht so verhält es sich mit Gotthelf. Dieser besitzt die gleiche Intensität des Talents, den Sinn für Haushalt und Leben des Volks, für die Durchdringung besonders ländlicher Zustände; er vermag vielleicht noch tiefer herabzusteigen in die Technik und Taktik des Bauernlebens, gibt dasselbe mit allem Schmutze des Kostüms und der Sprache mit der größten Treue wieder, und gleicht hierin einem Niederländer. Aber er ist dabei ohne ästhetische Zucht geblieben, und wenn

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_099.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)