den Zwillichrock anzieht und die Hand wirklich an den ersehnten Pflug legt. Dann wird es hoffentlich auch dahin kommen, daß es nur noch Eine Poesie gibt.
Man wende nicht ein, daß der fleißige Bauer und sonstige Arbeiter mit einer veredelten Anschauungs- und Empfindungsweise, mit einem solchen poetischen Bewußtsein ein schlechter Arbeiter und Geschäftsmann sein werde. Die religiösen Sekten verschiedener Art haben bewiesen, daß man sogar durch unnatürliche fanatische Schwärmerei die Arbeitstüchtigkeit nicht verliert, und gerade die Pietisten mit ihrer krankhaften Empfindelei und näselnden Religiosität sind es nicht, welche sich ökonomisch am übelsten zu stehen pflegen. Waren Cromwell’s Rundköpfe weniger gute Soldaten, weil sie vor der Schlacht geistliche Seufzer ausstießen und nach der Schlacht predigten? Und warum sollte ich auch die Kraft verlieren, eine Eiche zu fällen, weil ich weiß, daß der grüne Wald schöner ist als der Salon eines Banquiers? Warum die Besonnenheit, ein Schifflein zu lenken, weil ich mit klarem Blick in die Tiefe des Wassers zu dringen vermag? Warum die Fähigkeit, einen Pflug zu führen, weil ich mich auf dem weiten Acker unter dem blauen Himmel so recht glücklich und andächtig fühle? Warum mit minderm Eifer ein Hufeisen schmieden, weil ich weiß, daß ein wohlgeschwungener Hammer dem Schmied gut ansteht? Und sollte ich das Geld, welches ich aus zehn Scheffel Weizen gelöst habe, wohl nicht so gut zählen und zusammenhalten können, als mancher Schriftsteller das Honorar für seine empfindsamen Romane? Es gibt Leute, welche in der Ästhetik drin stecken wie ein Wurm im Mehle, und aus lauter ästhetischen Gedanken große Häuser bauen und ihr
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_098.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)