Quacksalber und einen aufgeblasenen Schulmeister, der sich auf alles versteht, nur nicht auf die Kinder.
An dieser Kalamität ist aber nicht die Aufklärung schuld, sondern die menschliche Schwachheit, und die Abhülfe liegt in der Bildung selbst: einestheils dadurch, daß dieser falsche Ehrgeiz eben einfach ein erstes Stadium ist, welches durch den steten Fortschritt von selbst überwunden wird; anderntheils durch die Volkspoesie, von der wir sprechen. Wenn die Bewohner der Bauernhütten erfahren, daß ihr Herz gerade auf die gleiche Weise schlägt, wie das der feinen Leute, wenn sie sehen, daß ihre Liebe und ihr Haß, ihre Lust und ihr Leid so bedeutungsvoll ist, wie die Leidenschaften der Prinzen und Grafen, wenn der kräftige Bauernbursche fühlt, daß seine Faust ihr bestimmtes Gewicht und Ansehen hat, und daß seine frischen Augen im Lande so guten Schein geben als irgend andere Augen, wenn die einsame graue Großmutter weiß, daß ein Dorfkirchhof so gut eine adelige Burg der Trauer und des geheimnißvollen Schicksals ist, wie der Kreuzgang einer alten Abtei, wenn das ländliche Dirnchen merkt, daß sein Kränzlein grüner ist und höher im Werthe steht als manches andere: – dann wird endlich jene Sucht nach Carrière und Vornehmheit wie ein trüber Nebel verschwinden, und für jeden Kopf, welcher dennoch, mit Berechtigung, aus seinem Stande sich herausarbeitet, wird alsdann ein anderer aus andern Ständen sich einfinden. Aus manchem vornehmen Feldverderber und Branntweinbrenner, der jetzt nicht Fisch und nicht Vogel, nicht Herr und nicht Bauer ist, wird dann ein tüchtiger Ackersmann werden, wenn die Vorurtheile verschwunden sind, und er nicht mehr gemeiner zu werden braucht, indem er endlich
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_097.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)