774 | Methodenlehre I. Hauptst. III. Absch. |
und unsere Nachforschung schließt nicht durch Einsicht, sondern durch gänzliche Unbegreiflichkeit eines Princips, welches so schon zum voraus ausgedacht war, daß es den Begriff des Absolutersten enthalten mußte.
Das zweite erfoderliche Stück zur Annehmungswürdigkeit einer Hypothese ist die Zulänglichkeit derselben, um daraus a priori die Folgen, welche gegeben sind, zu bestimmen. Wenn man zu diesem Zwecke hülfleistende Hypothesen herbey zu rufen genöthigt ist, so geben sie den Verdacht einer blossen Erdichtung, weil iede derselben an sich dieselbe Rechtfertigung bedarf, welche der zum Grunde gelegte Gedanke nöthig hatte und daher keinen tüchtigen Zeugen abgeben kan. Wenn, unter Voraussetzung einer unbeschränktvollkommenen Ursache, zwar an Erklärungsgründen aller Zweckmässigkeit, Ordnung und Grösse, die sich in der Welt finden, kein Mangel ist, so bedarf iene doch, bey denen, wenigstens nach unseren Begriffen, sich zeigenden Abweichungen und Uebeln, noch neuer Hypothesen, um gegen diese, als Einwürfe, gerettet zu werden. Wenn die einfache Selbstständigkeit der menschlichen Seele, die zum Grunde ihrer Erscheinungen gelegt worden, durch die Schwierigkeiten ihrer, den Abänderungen einer Materie (dem Wachsthum und Abnahme) ähnlichen Phänomene angefochten wird, so müssen neue Hypothesen zu Hülfe gerufen werden, die zwar nicht ohne Schein, aber doch ohne alle Beglaubigung sind, ausser derienigen, welche
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 774. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_774.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)