712 | Methodenlehre I. Hauptst. I. Absch. |
Es ist aber wol zu merken: daß ich in diesem zweiten Haupttheile[WS 1] der transscendentalen Critik die Disciplin der reinen Vernunft nicht auf den Inhalt, sondern blos auf die Methode der Erkentniß aus reiner Vernunft richte. Das erstere ist schon in der Elementarlehre geschehen. Es hat aber der Vernunftgebrauch so viel Aehnliches, auf welchen Gegenstand er auch angewandt werden mag, und ist doch, so fern er transscendental seyn soll, zugleich von allem anderen so wesentlich unterschieden, daß, ohne die warnende Negativlehre einer besonders darauf gestellten Disciplin, die Irrthümer nicht zu verhüten sind, die aus einer unschicklichen Befolgung solcher Methoden, die zwar sonst der Vernunft, aber nur nicht hier wol anpassen, nothwendig entspringen müssen.
Die Mathematik giebt das glänzendste Beispiel, einer sich ohne Beihülfe der Erfahrung, von selbst glücklich erweiternden reinen Vernunft. Beispiele sind ansteckend, vornehmlich vor dasselbe Vermögen, welches sich natürlicherweise schmeichelt, eben dasselbe Glück in anderen Fällen zu haben, welches ihm in einem Falle zu Theil worden. Daher hofft reine Vernunft im transscendentalen
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Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Hauptheile
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_712.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)