An zu weinen fing die Garst’ge,
Sie, die Scheußliche, zu jammern,
Wußte nicht wohin sie gehen,
Nicht, wohin sie wandern sollte,
Um des Leibes Last zu leeren,
Ihre Kinder zu gebären.
Sprach der Höchste aus den Wolken,
Sprach der Schöpfer aus dem Himmel:
„In dem Sumpfe giebt’s ein Dreieck,
In dem nimmerhellen Nordland,
In dem düstern Sariola;
Gehe dorthin zu gebären,
Deines Leibes Last zu lassen;
Dort hat man nach dir Verlangen,
Sehnsucht dort nach deinen Kindern!“
Kam die schwarze Tochter Tuoni’s,
Sie die, garst’ge Jungfrau Mana’s,
Hin zur Stube von Pohjola,
Ihre Kinder zu gebähren,
Ihre Frucht dort zu erlangen.
Louhi, sie, des Nordlands Wirthin,
Nordlands Alte arm an Zähnen,
Führt sie heimlich nach der Badstub’,
Zu dem Bade in die Hütte,
Ohne daß das Dorf es hörte,
Es ein Wort vernehmen konnte.
Heizte heimlich ihre Badstub’,
Schmiert mit Bier der Badstub’ Thüren,
Netzt mit Dünnbier ihre Riegel,
Daß die Thür nicht heulen möchte,
Nicht die Riegel laut ertönen.
Redet Worte solcher Weise,
Läßt sich selber also hören:
„Schöne Alte, Schöpfungsjungfrau,
Schöne, du mit goldnem Glanze,
Du, die älteste der Frauen,
Lauf vom Knie du hin zum Meere,
Von dem Hüftblatt in die Fluthen,
Nimm vom Kaulbarsch du den Geifer,
Nimm die Glätte von der Quappe,
Schmier’ damit Knochenhöhlung,
Streiche du damit die Seiten,
Mach’ die Jungfrau frei vom Drucke,
Von dem Leibesschmerz das Mädchen,
Von den gar zu harten Qualen,
„Sollte das genug nicht scheinen,
Ukko, du, o Gott im Himmel!
Komme her, du bist vonnöthen,
Eile her, wo man dich rufet;
Ist ein Mädchen hier in Wehen,
Ist ein Weib mit Leibesschmerzen
In dem Rauche einer Badstub’,
In dem Badehaus des Dorfes!
„Nimm die goldbedeckte Keule
Scheuche alle Hindernisse,
Schlage du der Pforte Pfeiler,
Setz’ des Schöpfers Schloß in Schwanken,
Mache, daß durch alle Riegel
Große gehen, Kleine gehen,
Daß der Allerkleinste wandre!“
Da entsendet diese Schlechte,
Tuoni’s Tochter ohne Augen,
Endlich ihres Leibes Fülle,
Unter eine bunte Decke,
In die Wiege voller Weichheit.
Bracht zum Vorschein neun der Söhne,
Während einer Nacht des Sommers,
Während einer Badeheizung,
In dem Laufe eines Bades
Mit der Kraft desselben Leibes
Aus der Fülle ihres Bauches.
Giebt drauf Namen ihren Söhnen,
Wie der Künstler seine Werke,
Was er sichtbar selbst geschaffen:
Einen bildet sie zu Stichen,
Treibt zur Windkolik den einen,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_262.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)