Redet Worte solcher Weise:
„Annikki, geliebte Schwester!
Bringe mir ein Hemd von Leinwand,
Bringe mir die besten Kleider,
Daß ich meine Glieder schmücke,
Daß ich mich zum Freien rüste!“
Annikki mit gutem Namen
Für die schweißbefreiten Glieder,
Für den unbedeckten Körper,
Holt’ ihm enggewirkte Hosen,
Die die Mutter selber nähte,
Für die schmutzbefreiten Hüften,
Deren Knochen nicht zu sehen.
Holte ihm dann weiche Strümpfe,
Die einst seine Mutter strickte,
Um das Schienbein zu bedecken,
Darauf Schuhe, die gut paßten,
Schöne Stiefel, die erhandelt,
Auf die Kanten seiner Strümpfe,
Die die Mutter einst genähet;
Ein Gewand von blauer Farbe,
Unten von der Leberfarbe,
Auf das Hemd von schöner Leinwand,
Die aus reinstem Flachs bereitet;
Dann den Rock aus grobem Tuche,
Ums Gewand von blauer Farbe,
Das das neuste von den neuen;
Einen Pelz mit tausend Knöpfen,
Ausgeschmückt mit hundert Zierden
Auf den Rock von grobem Tuche,
Welchen feines Tuch umkreiset,
Noch den Gürtel um die Hüften,
Die mit Gold gezierte Binde,
Die die Mutter einst gestricket,
Buntgezierte Handschuh ferner,
Fingerhandschuh goldenkantig,
Von den Lappen angefertigt,
Auf die schöngeformten Hände;
Eine Mütze, die sich hebet
Auf dem Haupt mit goldnen Locken,
Die der Vater einst gekaufet,
Als zum Freien er sich schmückte.
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Machet, daß die Kleider passen,
Redet dann zu seinem Knechte:
„Schirre mir das flinke Füllen
Vor den buntgeschmückten Schlitten,
Daß ich auf die Fahrt mich mache,
Nach dem Nordland hin verreise!“
Also gab der Knecht zur Antwort:
„Haben grade sechs der Rosse,
Pferde, welche Hafer fressen,
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Nimm den besten von den Hengsten,
Spann das Füllen in’s Geschirre,
Vor den Schlitten du das Falbe,
Setze sechs der Kuckucksvögel,
Sieben von den blauen Vögeln,
Daß sie auf dem Krumholz weilen,
An des Joches Riemen rufen,
Daß die Mädchen hastig aufschau’n,
Bringe her das Fell des Bären,
Daß ich mich auf selbes setze,
Bringe her die Haut der Robbe
Her als Decke auf den Schlitten!“
Darauf spannt der Knechte ew’ger,
Der mit Geld bezahlte Diener,
Ins Geschirr das flinke Füllen,
Vor den Schlitten hin das Falbe,
Stellet sechs der Kuckucksvögel,
Daß sie an dem Krummholz zwitschern,
An des Joches Riemen lärmen;
Bracht herbei das Fell des Bären,
Daß der Wirth sich darauf setzte,
Brachte dann die Haut der Robbe
Her als Decke zu dem Schlitten.
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)