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Vom ursprung & anfang der Manufacturen & Handlung.
Die Schweizer haten vor Tausend Jahren nur Vieh, Pelze, Thierhäute, Gänsefedern, Roshaare etc
und vorzügl.Menschen alß Leibeigne verkauft, als Knechte auch an ausländer.
[Ao. 658] Die Kloster Geschichten enthalten das in diesem Jahr St.Gallo-
zell schon mit Krieg heimgesucht, geplünderet und umgekehrt worden, die
Thurgäuer am Bodensee haten auch dahin geflüchtet und ihre besten sachen
in eine Grub gelegt, und die oberfläche mit Flachs Sammen besäet worden.
B! auß deisem Flachs pflantzen istzuschließen, das derselbe auch wird gesponnen
und verweben worden seyn, und also damahlen schon der anfang genommen,
[AU 1]vermuthlich nur zu eignem gebrauch gewoben worden, Leinen Tuch.
Die St. Galler Cronic aber sezt den anfang der handlung in die Zeiten *)
der Kreuzzüge & das diese die wichtigsten Vortheile der handlung gebracht.
Jtalie genoß dieselben in besonderem Grad; Venedig, Florenz, Pisa & Genua
wurden auß grosen Städten geführtete Republicken, und führten ansehnliche
Armeen nach Asien über, die Städte in der Lombardey, insonderheit aber
Meyland. Die Kreuz Ritter, versahen sie mit Lebens mittlen, und brachten
vermitelst der Handlung die Schäze so Jene in Asien gelaßen wieder zu-
rük, & über dieses Lernten sie die Jnnerlichen Producte und Reichthümer
Asiens kennen. Mayland war besonders der Sitz aller damals möglichen
Manufaturen, der Stolz aber auf seine Macht und Reichthum verleiteten
Sie zu empörungen und fürchterlichen Kriegen wieder den Kayser, das im Jahr
[1162] die grose Stadt geschleift wurde und kein Stein auf dem anderen bleibte,
die vielen Einwohnern wurden zerstreut, und zum theil vom Kayser selbst
über die Alpen getreiben, und nach Deutschland verbannt.
Von dieser Zeit an entstuhnden in Helvetien die Manufacturen die
Leinen und zwilch Weberey, Wollenen und andern Zeug.
Wahrscheinlich hate man diesem Umstand auch den ursprung der Leinwand
handlung zu verdancken, die im 13ten Jahrhundert schon sehr blühend in
St. Gallen war, Es hate Ao. 1280 schon bleichenen alda. Nachdeme auch sind
[1414] Während dem vierthalb Jährigen Concilium in Constanz wegen der grosen Men-
ge Volk so sich dahin versammelt hat, viele Kaufleute von Constanz auf
[1430] St. Gallen gezogen, und da den Leinwand Gewerb getreiben, und
denselben stark vermehret, und Gewerb und handlung florieten je länger
Je mehr.
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[969] *) Erhielt die Stadt St. Gallen die Münz Gerechtigkeit welche der Kayser den Com-
mecierenden Städten gegeben, das beweißet das in St. Gallen auch schon etwelche
handelschaft geweßen, dan ehdeßen kammen Metalle wenig im handel u. Wandel
zum vorschein, nur einzelne Pfenig wurde in Müntz bezalt, sonst war ungeprägtes
Geld, Silber stuck zu 20 xr wurden dicken genant, wie pag 12 beschreiben.
- ↑ die Weberey ist das ältste Handwerck.
Johann Bartholome Rechsteiner: Beschreibung der Gemeinde Speicher. , 1810, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KB_AR_Rechsteiner_Chronik_Ms401-260_Seite_257.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2024)