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LeibEigenschaft worin solche bestanden und andere Beschwärden.
[AU 1] Die Römer haten schon Sclafen in Helvetien gemacht, wie hier pag zulesen.
Die Alemanier machten nach mehrere von den besigten Römer, und die Leibeig- [arx.54]
enschaft nahm schon zu dießen helvet. zeiten *) ihren anfang, die Francken aber machten widerum nach mehr
LeibEigne, und diese wurden verkauft, verdauscht u. fort weg geführt, das in solchem
Zustand das Land mit den LeibEignen an Adel u. das Stift St. Gallen kommen. […
…] diese LeibEigenschaft sey damahlen der grund geweßen, auf dem die gute
Wirthschaft und Wohlstand eines Jeden Klosters oder Kirchen herren beruhete;
welcher viele LeibEigene hatte, der könte seine höfe, die damals nach in weitem
umfange waren, gut anbauen und nach neues Land urbar machen. konten;
wer Mangel an LeibEignen hate dem verwilderte das was schon angebaut
war. Das Kloster St. Gallen besaß derselben mehrere hunderte. Ein theil darvon
wohnte im Kloster, einige als haußbediente, oder handwercker, z.b. Schneider, Schuster,
Müller, Bäker, Walcker, Degenschmiede, Schildmacher, bierbrauer, glaßbrenner
u. andere als hirten und Sennen, welche die zahlreichen herden von Pferden,
Kühen, ziegen, Schafen, u. Schweinen besorgten, u. in die Wälder welche das
heutige Appenzellerland bedeckten, die Schweine aber denen die Tannenwälder
wenig Nahrung verschafft hatten, in das Rheingau u. in einige besonders darzu
gewiedmete Wälder hintreiben.
Die zweyte Ley der Leibeigenen hielt sich entweder auf den höfen des Klo- [55]
sters auf, die sie als Knechte u. Mägde mit hielfe der zins Leuten; u. andern
Leibeigenen die darauf frohndienste thun mußten, anbauten, oder sie besorgten
jeder die ihm angeweißene huben, von der er mit seiner haußhaltung Leben, den
gesezten zins entrichten, u. Jede wochen drey Tage auf dem nächstgelegenen
Kloster hof frohn arbeiten verrichten mußten. Diese Leibeigenen wurden die
äußere familie genant. Eine Leibeigne familien hate selten weniger als eine
hube (welche 30 Juchart und eine volle hube 40 Juchart war) zu ihrem aus-
kommen, das Sie nicht von Nahrungs Sorgen geplaget waren. pag 163.
Gewöhnlich aber hatten Jeder von ihnen eine ganze hube, davon er einen zins ent-
richten mußte, die in 15 Siglen oder Eymer Bier, zwey Mäßen Brod, einem
zwölf Pfenig werthen Schweine, fünf jungen hähnen, zwanzig Eyer, u. drey
frohntage, welche die Männer mit feldarbeiten, die Weiber mit Weben
und Stricken jede wochen thun mußten; wann sie verkauft, vertauscht, ver-
schenckt oder zu Lehen geben, wurden ihre Länge gemeßen, und einen fünf-
und zwanzig Juchert feldes werth geschäzt, aber gewöhnlich wurden sie mit
der hube, welche sie bewohnten und baueten entäußeret. Es war ein die
Menschheit entehrender brauch Leibeigene zuhalten, u. so zubehandlen; aber er war
eine folge des militärischen nothzwangs. Er stamt von den alten deutschen her
die ihre kriegs gefangene arbeiten machten, hingen die Römer sie zwangen, dem Volke
zur Lust in Schau Spielen, gegen wilde thiere zu kämpfen.
- ↑ *) Orgetorix, ein vornehmer angesehner Mann unter den Helvetier
hate schon 10`000 Leibeigne gehabt, wie hier pag III. zus.
Die Leibeignenleut wurden im vierzehnten Jahrhundert der stärckste handels
artickel die ein herr dem andern verkaufte verdauschte zu Lehen, zu Pfand zu Leibdinge gab.
Jeder reiche mann od. bürger auß den Städten kauften Leibeigne; das Stift kaufte einen
um 5 lb. d. z.b. Egolf von Roschach versezt 1375 die Kriemler, Haßen, Rüesch, Klein,
Helter, Eschler, Schöri, Ander, Spät, Krezer, Locher, Schmid, Schöri, u. Renhas, um 13 lb. d u. 13 Schili.
u. Jeglicher mußte ein lb. d. Steuer u. das Faßnacht hun geben, u. frondienst thun arx 171: 2. Teil.
[arx] p 20 hier auch Rothfuchs, Spät, Bächler, Stürm, Kobler, Schäfer, Keßler,
Zuber, Salmßer, waren ihre zinßleut u. eigne Leut.
Johann Bartholome Rechsteiner: Beschreibung der Gemeinde Speicher. , 1810, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KB_AR_Rechsteiner_Chronik_Ms401-089_Seite_88.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2024)