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Von Aberglauben &. Magie & der Bibel.
Jahrhunderte in diesem bedaurungs würdigen zustand leben müßen. *)
Gott aber der die menschen nach dem maß ihrer erkantnus ansiehet, wird
ihnen die Zeit ihrer unwüßenheit auch gnädig übersehen haben, und sie in
der ewigkeit zur vollkomenen Erkantnus Gottes und seines Willens haben
gelangen lasen, weillen in der zitlichkeit sie die offenbahrung seines Heilligen
Worts manglen mußten, theils weil eß ihnen zuleßen verbothen war, und […?].
[AU 1]Von der Bibel konten sie auch kein gebrauch machen, wegen der Kostbar-
keit in ältern Zeiten. Damahlen oft eine geschreibene Bibel 200 bis 300 thaler
kostete, weil die buchtruckerreyen erst Ao. 1440 erfunden worden, endlich ist
dieselbe nach vor der Reformation in das Deutsche übersezt worden, aber
erst nach der Kirchen Verbeßerung dörfte Jederman biblen kaufen u. leßen.
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[AU 2]*) Es war auch ein starcker, groser und unvernünftiger aber Glauben an Magie, oder
gespenster, zauberer, Lochsner, Wahrsager, Schazgraber, Hexen u. Hexen meister, u.
viele gaben sich vor dergleichen künstler auß, und das gemeine Volk war einfaltig
genug alles zuglauben, um destomehr weil die Capuzeiner und Mönchen sich der
schwarzen Künsten rühmten, und vor beschwörungen, Teufel außbannen, gestohlne
sachen wieder zurük bringen u. den Leichtgläubigen Menschen viel geld abnehmen
könten, und weil sie manch mahl etwas errathen konten durch die biecht, so bleibte
der Glaube bey vielen vest. Auch die kranckheiten des Viehs wurden bösen Leuten
oder häxen zugeschreiben, deswegen viele unschuldige Weibs bilder mußten deswegen im
verdacht seyn, nicht nur von einfältigen Leuten, sondern auch die obrigkeiten in
der Schweiz haten viele Tausende hin richten laßen und verbrennt als hexen. Sogar nach der
Reformatin geschah eß in unßerem Land Ao. 1580, 1689, und 1690 ist die leste
unholde in Trogen nach hingerichtet worden, alß eine hex und verbrent. W.C.
Und also haben sich viele Vernunft widrige Glauben Jahrhunderte lang er-
halten können, und fort geplantzet worden, bis auf unßere zeiten nach, die
obrigkeit mußte solche sachen im Grosen Land Mandat verbieten, wer wegen
gestohlnen sachen den Capuziner, und wahrsager nach laufte, zauberreyen Lochsnen
und dergleichen sachen mußten mit Straf u. Buß belegt werden.
Hr. Pfarrer Bartholome Anhorn, jünger hat ein ganzes buch über solche sachen geschreiben.
Seine absicht mag geweßen seyn die Leute auf zu klären und zu warnen, aber eß
gab vielmehr anlaß zu aberglauben, und gebrauch darvon zu machen, deswegen
solches obrigkeitlich verbothen werden müßen, und wurde bey Hausbesuchungen weggenommen.
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[1348 -1350] Es waren auch Juden in St. Gallen, u. des Abts Land wohnhaft. Da aber eine grose
[AU 3]Pestilenz in Teutschland gewühtet, die über 90’000 Menschen weggerafft, fieng man an
die Juden zubeschuldigen das sie die Brunnen vergifteten, u. um des Wahns willen
wurden sie aller orten grausam verfolget. St. Gallen folgte auch dem Beyspiel, sie
wurden vertreiben, theils gefangen, u. auch verbrandt, man bemächtige sich aller
ihrer Güter. Samuel Leve, der wochentl. vom gulden 2d. zins genomen, wurde als
ein Wucherer vom Abt 1000 Ducaten gestraft u. des Lands verwießen.
- ↑ Ao.1534 & 35 erste Edition d.ganzen Teutschen bibel, übersezt durch Luthery, er starb 1546
- ↑ anmerckung.
- ↑ die Judengaß war hinter der Brodlauben genant in St. Gallen arx.pag.31
Johann Bartholome Rechsteiner: Beschreibung der Gemeinde Speicher. , 1810, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KB_AR_Rechsteiner_Chronik_Ms401-044_Seite_43.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2024)